Auf dem Rad durch Deutschland – mit wenig Geld und viel Gepäck
Wer Ballast abwirft, wird reich beschenkt. Das ist die Quintessenz, die die Journalistin Susanne Storck aus ihrer siebenwöchigen Reise mit dem Fahrrad durch Süddeutschland – und letztlich zu sich selbst – zieht.
Gestartet mit 16 Kilo Gepäck und 400 Euro Bargeld, fährt sie auf ihrem Rad in 51 Tagen 2.716 Kilometer durch Deutschland. So ließe sich Susanne Storcks Buch in nackten Zahlen zusammenfassen.
Doch damit wäre nichts von dem ausgesagt, was diese Rundfahrt zu einem besonderen Erlebnis gemacht hat: die Warmherzigkeit vieler Mitmenschen, der Luxus einer Nacht im Freien unter einem sternenklaren Himmel oder eines Kaffees am Morgen, den Storck zu schätzen gelernt hat.
Die Journalistin beschreibt ihre Radtour von Mülheim an der Ruhr, am Rhein entlang, bis zum Bodensee, weiter durch Süddeutschland, Thüringen und Hessen zurück nach NRW und wird dabei zur Weltenbummlerin im eigenen Land. Sie gewinnt einen völlig neuen Blick auf die Schönheit ihrer Heimat und Sehenswürdigkeiten, die sie als Autofahrerin nicht wahrgenommen hatte.
Ihr Antrieb dabei ist pure Abenteuerlust. Sie nutzt eine neunwöchige Auszeit im Beruf, um ohne Zeitdruck und Verpflichtungen unterwegs zu sein und Land und Leute zu erleben. Den intensiven Kontakt mit der Bevölkerung stellt sie durch das schmale Reisebudget von 400 Euro sicher. Denn dies zwingt sie dazu, sich unterwegs um Gelegenheitsarbeiten und günstige Übernachtungsmöglichkeiten zu kümmern. Dabei macht sie auch ihre erste Bettelerfahrung.
Bei alldem begegnen ihr wildfremde Menschen mit einer Gastfreundschaft, wie sie es sich nie hätte träumen lassen. Storck verdingt sich als Erntehelferin auf einem Bauernhof sowie einem Weingut und bügelt in einem Hotel die Wäsche, um dort günstiger übernachten zu können. Im Allgäu, wo sie auf 1000 Meter Höhe strampeln muss, kommt sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Ihre Tränen, die vor Erschöpfung fließen, mischen sich mit dem tagelangen Dauerregen. Sie ist kurz davor zu kapitulieren und ihre Reise mit dem Zug zu beenden. Doch Storck besiegt ihren inneren Schweinehund, wohl wissend, dass sie ihre Entscheidung nach den ersten Metern im Zug bereuen würde.
„Abgefahren“ ist ein Buch, das dazu motiviert, selbst einmal ausgetretene Pfade zu verlassen. Denn auch wenn sich jeder im Internet surfend über einen der schönsten Naturcampingplätze Deutschlands oder die Feinheiten der Winzerei schlau machen kann – das virtuelle Leben kann das wirklich Erlebte niemals ersetzen.
Sportwelt Verlag 2011, 114 Seiten, EUR 9,95
ISBN 978-3-941297-02-9
Auch als Ebook erhältlich. |