... wird die Chance für die Energiewende verpasst?
Bundesrat und Bundestag stehen vor der Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes. Aus Freiburg kommt deutliche Kritik am Entwurf der Bundesregierung, da er den dezentralen Ansprüchen größerer Städte schadet. Gemeinsame Pressemitteilung von Klimabündnis Freiburg, ECOtrinova e.V. und fesa e.V. vom 2. Februar 2012:
Der Entwurf der Bundesregierung für die Novelle des Gesetzes für Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) muss dringend fit gemacht werden für mehr Effizienz. Die Bundesländer müssen sich aktiv für eine Verbesserung der Situation kleiner KWK-Anlagen einsetzen, damit die Energiewende auch in größeren Städten möglich wird.
Die anstehende Novelle des KWK-Gesetzes bietet große Chancen, Klimaschutz, Energiewende und Atomausstieg mit einem wirksamen Marktanreiz für kleine Kraftwärmekopplungs-Anlagen (KWK) voranzubringen. Sollte der jetzige Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 14.12.2011 jedoch ohne entscheidende Verbesserungen in Bundesrat und Bundestag durchgewunken werden, wird die einmalige Chance verpasst. Darauf weisen das Klimabündnis Freiburg, ECOtrinova und fesa e.V. hin. Sie fordern den schnellen Ausbau der dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung.
Jörg Lange, Sprecher des Klimabündnis Freiburg, weist darauf hin, dass nicht jede KWKAnlage im Sinne des Klimaschutzes sinnvoll ist. Per Gesetz werden auch große Kohlekraftwerke gefördert, wenn ihre Abwärme in Form von Fernwärme nutzbar gemacht wird. Diese Wärme wird aber mit der zwei- bis dreifachen Menge an klimaschädlichen Emissionen erkauft wie die Wärme, die aus kleinen erdgasbetriebenen KWK-Anlagen zum Beispiel Wohnblöcke versorgt.
Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, den KWK-Anteil an der Stromerzeugung bis 2020 auf 25 Prozent zu verdoppeln. Eine Erfolgsanalyse seit der letzten Gesetzesänderung im Jahr 2009 hat aufgezeigt, dass der Deckel der KWK-Förderung von maximal 750 Millionen Euro pro Jahr jedoch nicht einmal annähernd ausgeschöpft wurde. Daran wird sich auch mit dem jetzigen Novellierungsentwurf nichts ändern, weshalb die Ziele der Bundesregierung in weite Ferne rücken.
Auf dem dezentralen Auge blind
Die wenigen beschlossenen Änderungen nutzen vor allem den Betreibern von Großkraftwerken und ignorieren damit das große Potenzial dezentraler Energieerzeugung:
- Für KWK-Anlagen, die ab 2013 der Emissionshandelspflicht unterliegen, werden die Zuschläge erhöht. Zur Steigerung des KWK-Anteils würden damit vor allem die bereits im Bau oder in der Planung befindlichen, großen, neuen Kohlekraftwerke beitragen, wie Lünen, Karlsruhe RDK 8, Mannheim GKM Block 9, Hamburg Moorburg A, Hamburg Moorburg B, Datteln 4. Denn auch diese Kohlekraftwerke würden über das KWK-Gesetz für ihren KWK-Strom eine Förderung von 1,5 Cent/Kilowattstunde (kWh), ab 2013 zukünftig 1,8 Cent/kWh erhalten! Eine Art „getarnter Kohlepfennig“, so die Freiburger Kritiker der Gesetzesneufassung. Gasbetriebene KWK-Anlagen trügen dagegen einen vielfach höheren Beitrag zur CO2-Vermeidung und zur Energiewende bei.
- Darüber hinaus werden Maßnahmen zur KWK-Nachrüstung von Kondensationskraftwerken förderfähig. Dies sind herkömmliche Kraftwerke, die ihre Abwärme bisher nicht nutzen. Eine Umrüstung macht die Abwärme nutzbar, z.B. für ein Fernwärmenetz. Das verbessert die Gesamt-Energieeffizienz des Kraftwerkes, kann aber die wichtige Stromerzeugung mindern.
- Wärmenetze erhalten 30 statt 20 Prozent Zuschuss und Wärmespeicher erstmalig bis zu 30 Prozent der Investitionskosten.
Marktanreiz per Einspeiseregelung dringend erforderlich für kleine KWK
Insbesondere das riesige ökologische und ökonomische Potential kleiner KWK-Anlagen (Anlagengrößen zwischen 10 und 2000 Kilowatt elektrischer Leistung (kWel)) hat die Bundesregierung entweder noch nicht erkannt oder sie will es nicht, um die großen Versorger zu schützen.
Eine Anreizregulierung vergleichbar dem erfolgreichen Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) mit leistungsabhängiger Einspeisevergütung könnte hier in wenigen Jahren zur Marktdurchdringung führen. Denn durch die bisher geringen Stückzahlen sind die Anschaffungskosten der „Kleinen“ für eine schnelle Marktdurchdringung noch zu hoch. Kleine KWK-Anlagen, auch Blockheizkraftwerke oder BHKWs genannt, bestehen im Wesentlichen aus einem umgebauten Auto-, LKW- oder Schiffsmotor mit einer großen „Lichtmaschine“, dem stromerzeugenden Generator. Insbesondere die Kleinsten sind aber vergleichsweise teuer. Ein Mini-BHKW mit 20 kWel kostet etwa 40.000 Euro. Ein Kleinwagen mit vergleichbarer Motorleistung kostet dem gegenüber nur ca. 10.000 Euro. Der Grund ist, dass Mini-BHKWs bisher nur in kleiner Stückzahl gebaut werden, sozusagen in vorindustrieller Manufaktur. So wurden im Jahr 2010 in Deutschland lediglich 1371 kleine KWK-Anlagen neu gebaut. Demgegenüber stehen in Deutschland 600.000 Heizungserneuerungen pro Jahr an.
Kleiner Aufwand - nachhaltige Wirkung
Um z.B. den Strom aus Kohle bis 2020 mit Strom aus dezentralen Blockheizkraftwerken weitgehend zu verdrängen, würden weniger als fünf Prozent der jährlichen Motorenproduktion (5,5 Mio. PKW 2010) in Deutschland ausreichen - und das ohne den Gasverbrauch wesentlich zu steigern.
Mittelfristig kann das fossile Erdgas zudem durch Wasserstoff oder Methan ersetzt werden, produziert aus überschüssigem Strom aus Wind- und Solaranlagen, gespeichert in den bereits reichlich vorhandenen Gasspeichern. Hunderttausende und mehr BHKWs werden so Kernelemente für eine sichere Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien und damit für die Energiewende.
Wirtschaft ist weitsichtiger
Im Gegensatz zur Bundesregierung haben einige Wirtschaftsunternehmen die Chancen dieses Konzeptes bereits erkannt. Greenpeace Energy und die Windkraftfirma Juwi erarbeiten Konzepte für Versuchsanlagen zur Gewinnung von „Windgas“. Die Lichtblick AG bietet bereits heute zusammen mit VW das Strom und Wärme produzierende „Zuhause-Kraftwerk“ an und selbst RWE macht inzwischen Werbung mit kleinen KWKAnlagen.
Das Gesetz braucht keine Zustimmung durch den Bundesrat. Die Bundesländer sind jedoch zur Stellungnahme aufgerufen. Die 1. Anhörung des Bundesrates ist für den 10.02.2012 geplant.
Für weitere Informationen: www.klimabuendnis-freiburg.de
Klimabündnis Freiburg
Das Klimabündnis Freiburg ist ein Zusammenschluss engagierter Bürgerinnen und Bürger, unterstützt von zahlreichen lokalen und regionalen Initiativen und Fachbüros.
Wir setzen uns ein für:
- 100% Erneuerbare Energien
- eine massive Steigerung der Energieeffizienz
- Ausbau der Ressourceneffizienz
- Reduktion der CO2-Emissionen
info@klimabuendnis-freiburg.de
www.klimabuendnis-freiburg.de
ECOtrinova e.V.
ECOtrinova e.V. ist als gemeinnütziger kooperativer Verein für Umwelt- und Verbraucherschutz, Energiewende und Klimaschutz eine Arbeitsgemeinschaft von in Freiburg i.Br. und der trinationalen Region ansässigen Umweltinstituten, Vereinen, Fach-Büros und BürgerInnen.
Vorsitz: Dr. Georg Löser
ecotrinova@web.de
www.ecotrinova.de
Der fesa e.V.
Der fesa e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 1993 erfolgreich für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und für die Energiewende in der Region Freiburg engagiert. Mit seiner Arbeit sensibilisiert er die Menschen für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, schlägt mit innovativen Projekten neue Wege ein und schafft über sein Netzwerk wichtige Kontakte zu Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Verbänden.
Über die Zeitschrift "SolarRegion", Veranstaltungen und Newsletter informiert er aktuell über Themen aus den Bereichen Wind-, Solar- und Bioenergie, Geothermie sowie Energieeffizienz. |