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Pilotanlage zur Phosphorrückgewinnung in Offenburg geht in Betrieb
Umweltminister Franz Untersteller: „Wir setzen ein Zeichen für Wiederverwertung und Ressourceneffizienz“

Baden-Württemberg übernehme bei der Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlämmen eine bundesweite Vorreiterrolle, sagte Umweltminister Franz Untersteller gestern (18. November 2011) in Offenburg, wo er die erste großtechnische Anlage zur Phosphorrückgewinnung auf der Kläranlage in Griesheim offiziell in Betrieb nahm. Er freue sich, dass es an der Universität Stuttgart gelungen sei, ein Verfahren zu entwickeln, das es erlaube 70 Prozent des Phosphors aus dem behandelten Klärschlamm zurück zu gewinnen und er hoffe, dass von der Anlage eine Art Initialzündung ausgehe, so dass auch andere Bundesländern sich künftig stärker um die Phosphorrückgewinnung kümmern.

Franz Untersteller: „Phosphor ist nicht durch andere Elemente zu ersetzen und ohne Phosphor kein Leben. Dass wir aus dem früheren Abfallprodukt Klärschlamm jetzt auch in Bezug auf Phosphor eine wertvolle Sekundärrohstoffquelle machen können, ist ein Schritt in die Unabhängigkeit von teuren Phosphorimporten.“

Fachleute schätzten, dass die mit vertretbarem wirtschaftlichem Aufwand abbaubaren natürlichen Phosphor-Lagerstätten in der Erde schon in weniger als einhundert Jahren erschöpft seien. Darüber hinaus sei die Gewinnung der Rohphosphate und ihre Verarbeitung zu Mineraldüngern mit erheblichen und immer weiter zunehmenden Umweltbelastungen verbunden, erklärte Untersteller.

„In einer Zeit, in der die Rohstoffe knapper und teurer würden, ist die Anlage in Offenburg also von großer ökonomischer und ökologischer Bedeutung. Umfassende Kreislaufwirtschaft ist die Voraussetzung für die Sicherung unseres Wohlstandes und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen“, so Untersteller.

Auch Offenburgs Oberbürgermeisterin und Vorsitzende des Abwasserzweckverbandes „RaumOffenburg“, Edith Schreiner betonte bei der Inbetriebnahme die Funktion der Anlage im Sinne einer effizienten Nutzung knapper Ressourcen: „Die Aufgabe einer nachhaltigen Abwasserreinigung ist es, Wertstoffe zurückzugewinnen. Deshalb sind wir froh, eine Anlage in Betrieb nehmen zu können, die genau diesen Anspruch erfüllt. Wir gewinnen die Düngeeigenschaften des Klärschlamms zurück und führen nur noch seine Schadstoffe der thermischen Verwertung zu“, sagte Schreiner.

Schon heute, so Umweltminister Franz Untersteller, würden bereits mehr als 60 Prozent der Siedlungsabfälle in Baden-Württemberg stofflich verwertet, sogar 70 Prozent unter Einbeziehung der energetischen Verwertung. Die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft und damit der Rohstoffgewinnung aus Abfällen sei eines der ganz wichtigen Themenfelder der grün-roten Landesregierung.

Auch die Rückgewinnungsquote von Phosphor solle langfristig gesteigert werden, sagte Untersteller: „Für die nächsten Jahre haben wir als Teilziel festgelegt, mindestens 15 Prozent an benötigtem Phosphor für die Landwirtschaft mit Hilfe von Anlagen wie der in Offenburg zurückzugewinnen. Das bedeutet, dass wir in Zukunft auch andere Kläranlagen entsprechend ‚aufrüsten‘ müssen.“

Die Phosphatnutzung auf der Basis von Rückgewinnungstechnologien werde sich langfristig durchsetzen, zeigte sich Untersteller überzeugt. Er sei sicher, dass in Deutschland dann auch niemand mehr an der unsinnigen traditionellen landwirtschaftlichen Klärschlammausbringung festhalten werde, bei der immer auch die Schadstoffe zurück in die Umwelt kämen. Baden-Württemberg sei bereits vor langer Zeit aus der bodenbezogenen Klärschlammverwertung ausgestiegen.


Ergänzende Informationen:
Die Kosten für die Modellanlage hat zu 100 Prozent das Land übernommen.
Die Investitionskosten in Höhe von 645.000 Euro wurden aus dem Kommunalen Investitionsfond (KIF) entnommen. Die für das Forschungsprojekt erforderliche wissenschaftliche Begleitung (179.000 Euro) wurde aus Mitteln der Abwasserabgabe finanziert.
Die künftig anfallenden Betriebskosten für die Phosphorrückgewinnungsanlage (Energie, Personal, Chemikalien) übernimmt der Abwasserzweckverband „Raum Offenburg“.

Das Verfahren zur Rückgewinnung des Phosphors wurde am Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) der Universität Stuttgart in Zusammenarbeit mit der iat-Ingenieurberatung entwickelt. Beim sogenannten Stuttgarter Verfahren zur Phosphorrückgewinnung aus anaerob stabilisierten Klärschlämmen entsteht nach einem chemischen Prozess unter Zugabe von Schwefelsäure, Natronlauge, Zitronensäure und Magnesiumchlorid das Produkt Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP).
Das MAP kann direkt als Mehrnährstoffdünger in der Landwirtschaft verwendet werden.

Gebaut wurde eine Anlage mit einem Reaktorvolumen von 12 Kubikmetern. Damit kann der Klärschlamm von circa 5.000 bis 10.000 Einwohnerwerten behandelt werden. Die Ausbeute wird dabei auf circa 50 Kilogramm MAP pro Tag geschätzt.
 
Eintrag vom: 19.11.2011  




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