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Solare Zeiten statt atomarer Risiken
Von der Geschichte der Solarenergie und Perspektiven für den Atomausstieg

Freiburg, 01.06.2011: Am Montag, den 30. Mai entführte der renommierte Journalist Bernward Janzing in Kooperation mit dem fesa e.V. sein Publikum im Café Velo in Freiburg in die Geschichte der Solarenergie. Im Gegensatz zum neuen Energiekonzept der Bundesregierung zeigte er realistische Perspektiven für eine solare Zukunft auf.

Der Atomausstieg in Deutschland ist jetzt beschlossene Sache – sicherlich ein Grund zum Feiern. Doch woher die Energie in Zukunft kommen soll, ist weiterhin umstritten. Hier brachte der Freiburger Journalist Bernward Janzing am 30. Mai im Café Velo Licht ins Dunkel. Fachlich äußerst kompetent im Grenzbereich zwischen Ökonomie, Ökologie und Technologie versteht er es gleichzeitig, die komplexe Thematik anschaulich und unterhaltsam rüberzubringen. Zuerst stellte er sein neues Buch „Solare Zeiten“ vor und berichtete anekdotenreich über die Geschichte der Solarenergie. So war die Photovoltaik in ihren Anfängen in der Raumfahrtforschung angesiedelt. „Sie ist die einzige im Weltall verfügbare Energie und Geld spielte damals überhaupt keine Rolle“, erklärte Janzing. Anfangs tummelten sich daher vor allem die etablierten Firmen der Energiewirtschaft in der PV-Technik: RWE, Siemens und sogar die Atomfirma Nukem produzierten Solarzellen. Bis zu einer Netzeinspeisung war es freilich noch ein weiter Weg. Hier war die Hartnäckigkeit der Überzeugungstäter, die den Nutzen der Photovoltaik für die allgemeine Stromversorgung über Jahrzehnte propagierten, gefragt. Einer von ihnen ist Hans-Josef Fell, dem es tatsächlich gelang, in die Rede des damaligen Ministerpräsidenten von NRW, Wolfgang Clement, eine Forderung nach der kostendeckenden Vergütung einzuschmuggeln – gute Kontakte zu Redenschreibern sind zuweilen von Vorteil! Fell war auch einer der Väter des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG), seit dessen Einführung im Jahr 2000 der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland rasant vorangeht.

Im PV-Bereich geht der Ausbau einher mit stetig sinkenden Modulpreisen. Schon im nächsten Jahr rechnet man mit der Grid-Parity, dem Zeitpunkt, an dem Strom aus Photovoltaik gleich viel kostet wie Strom aus der Steckdose. Janzing prognostiziert für 2011 einen PV-Anteil am Strommix von drei bis vier Prozent. Bei einer so sonnenreichen Wetterlage wie im vergangenen Mai produzieren PV-Anlagen täglich schon so viel Strom wie im gesamten Jahr 2000 – rund 100 Millionen Kilowattstunden. Das entspricht einem Anteil am Verbrauch von 25 bis 30 Prozent. Der Verbrauch ist ein entscheidender Knackpunkt, wenn es um Prognosen für zukünftige Anteile der Erneuerbaren Energien am Strommix geht. Janzing hat das spaßeshalber mal anhand von zwei Szenarien ausgerechnet. Im einen steigt der Verbrauch jährlich um ein Prozent, im anderen sinkt er um den gleichen Betrag. Im Jahr 2030 würde die Differenz zwischen den beiden angenommenen Bruttostromverbräuchen 230 Milliarden Kilowattstunden betragen, das übersteigt die Stromproduktion des gesamten Jahres 2010 in deutschen Atomkraftwerken, die bei knapp 140 Milliarden Kilowattstunden lag.

Ein weiterer wichtiger Faktor für eine zukünftige Energieversorgung, der in der angeregten Diskussion mit dem teils sehr fachkundigen Publikum herausgearbeitet wurde, ist das Wie des Ausbaus der Erneuerbaren. Setzt man vor allem auf Offshore-Windkraft, wie es die Bundesregierung in ihrem Entwurf zur Novellierung des EEG vorsieht, sind laut der regierungsnahen Netzagentur dena Hochspannungsleitungen über 3600 Kilometer notwendig, um den Strom von der Nordseeküste in die Ballungsgebiete im Süden zu transportieren. Verfolgt man dagegen eine dezentrale Energiewende mit einer Vielzahl von Photovoltaikanlagen, Windkraft an Land, Bioenergie und Blockheizkraftwerken, ist der Transportbedarf laut einer Studie von Consentec mit 250 Kilometern deutlich geringer. Die Energie wird dann dort produziert, wo sie gebraucht wird. Auch der fesa e.V. setzt sich für eine solche Energiewende vor Ort ein: „Schon der Trassenausbau mit seinen nicht unerheblichen Eingriffen in die Natur wird bei einer dezentralen Energiewende deutlich schonender ausfallen“, meint fesa-Geschäftsführer Nico Storz dazu. „Ganz wichtig ist auch, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. So entstehen zukunftsfähige Arbeitsplätze vor Ort und der stetige Geldabfluss an internationale Konzerne schrumpft. Die dezentrale Energieerzeugung birgt die einmalige Chance, unsere Energieversorgung gemeinsam mit den Bürgern zu gestalten und in diesem Bereich eine Demokratisierung zu erreichen. Freunde der Monopolstrukturen unterstützen diesen Prozess natürlich nicht – aber die Natur der Erneuerbaren ist dezentral. Diese Strukturen gilt es zu schützen und auszubauen, damit die Erneuerbaren Energien gedeihen können.“
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Eintrag vom: 01.06.2011  




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