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(c) mitwelt.org | | | Verdienstorden für Axel Mayer | "unvorhersehbare Spätfolgen" von langjährigem Engagement
Am 9. Mai 2025 erhält Axel Mayer in Mannheim den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg - die höchste baden-württembergische Auszeichnung - „in Anerkennung seiner Verdienste um das Land Baden-Württemberg, als langjähriger BUND-Geschäftsführer Südlicher Oberrhein und für sein jahrzehntelanges Engagement im regionalen und grenzüberschreitenden Natur- und Umweltschutz, in der Kommunalpolitik sowie in der Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung". (Brief des Ministerpräsidenten vom 18.3.2025)
Puuuhhh: Ein „Verdienstorden“ für mich ... Erste böse Gedanken und Assoziationen beim Öffnen des Briefes des Ministerpräsidenten lassen sich nicht leugnen. Meine ersten, bösen, spontanen Gedanken waren „Eisernes Kreuz“ und „Kriegerdenkmäler, auf die die Tauben scheißen“. Erste unsortierte Gedanken eben.
Puuhhh: Nur 1.000 Personen dürfen den „Landesorden“ tragen. Er ist die höchste Auszeichnung des Landes Baden-Württemberg.
Und da soll ich dazu gehören? Ich, in meiner unvollkommenen Fehlerhaftigkeit? Bin ich jetzt schon sooo alt?
Und da soll ich dazu gehören, so wie ich bin? Naturliebend, weltoffen-regional-alemannisch verwurzelt, freiheitsliberal, im positiven epplerschen Sinne bewahrend wertkonservativ und gleichzeitig in sozialen Fragen links von der SPD, aber nicht staatsgläubig ...
Warum? Ich denke an den ersten Hilfstransport nach Tschernobyl und an die riskante Schmuggel-Fahrt mit Babs in die Sowjetunion, mit illegaler Umwelt-Literatur und verbotenen Umweltanalysekoffern für die damals noch verbotene Umweltbewegung in Estland, Lettland und Litauen. Ich denke an Wyhl, Marckolsheim und an den Kampf für einen sauberen Rhein und den letzten Streit für eine Kläranlage der Usine-Kaysersberg. Ich denke an die langen, erfolgreichen Jahre beim BUND, an die Mitwelt Stiftung Oberrhein und an die heutigen Kämpfe für Demokratie und Umwelt.
„Alle Gruppen der Bevölkerung des Landes sollen bei der Ordensvergabe möglichst gleichmäßig berücksichtigt werden“, steht in der Verordnung des Landes. Ich stehe also stellvertretend für eine Gruppe von Menschen, von denen viele diesen Orden verdient hätten und die bisher in der langen Liste der bisherigen Ordensträger nicht „allzu häufig“ auftauchen.
Für welche Gruppen und Menschen stehe ich?
Ich stehe z. Bsp. für Ulrike Friedrich aus Sasbach, die sich seit Jahrzehnten auf eine unglaubliche Art und Weise beim BUND im ehrenamtlichen Naturschutz und im Roten Kreuz engagiert und die eine Ehrung viel mehr verdient hätte.
Ich stehe für den Friedensaktivisten Jürgen Grässlin, für Hubert und Nik und für meine verstorbenen Freunde, den klugen Liedermacher Walter Mossmann und die 28.000 AKW-Wyhl-Besetzenden.
Ich stehe aber auch für die heutigen, unbequemen Klimaschutz-& Demokratie-Aktiven, die aktuell so viel Ärger haben und die vermutlich in 50 Jahren geehrt werden.
Als ich 1974 zur Bauplatzbesetzung gegen ein extrem umweltverschmutzendes Bleiwerk nach Marckolsheim ins Elsass fuhr, war in Deutschland, Frankreich und Europa noch die Zeit der „guten, alten, offenen“ und vor allem sichtbaren Umweltzerstörung und Umweltvergiftung. Flüsse waren stinkende Kloaken, Kinder in der Umgebung von Verbrennungsanlagen litten an Pseudokrupp, in der Umgebung deutscher Bleichemiewerke starben die Kühe an Bleivergiftung. In meinem Heimatdorf Teningen wurde ein Baggersee mit Giftmüll verfüllt und der Schweizer Atommüll noch im Meer versenkt. Es war die unkritisch-technikbesoffene Nachkriegszeit, in der, trotz des Konzernwissens um die Gefahren, noch hemmungslos Asbest verbaut wurde.
Seit 1974 ist manches, nicht alles, besser geworden. Die „gute, alte, offene“ Umweltzerstörung haben wir überwunden. Diese Erfolge sind nicht vom Himmel gefallen. Sie wurden von vielen Menschen erkämpft.
Der Preis geht an die konstruktiv-nachdenklich Kritischen, er geht an das frühe „Nai hämmer gsait“ zu Atomkraft, zu Umweltzerstörung, Krieg, Wachstumsreligion und an das Nein zur explodierenden sozialen Ungleichheit.
Er geht aber auch an das frühe „Ja hämmer gsait“ zu den zukunftsfähigen Energien.
Ans „Ja hämmer gsait“ zur guten sinnvollen Technik, die Mensch und Umwelt nützt. In wenigen Jahrzehnten hat es im Bereich Windenergie, Tiefengeothermie und Fotovoltaik ungeheure Fortschritte gegeben. Die zukunftsfähigen Energien sind nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch kostengünstiger als die atomar-fossilen Energiequellen.
Diese Erfolge sind nicht vom Himmel gefallen. Sie wurden erdacht, erkämpft und die Kämpfe sind noch nicht beendet. Gut, dass wir mit unseren positiven Visionen nicht zum Arzt gegangen sind, wie uns das einst Kanzler Helmut Schmidt empfohlen hat.
Wir haben das Wissen und die Technik, um mit einem wesentlich verringerten Input von Energie, Rohstoffen und Arbeitszeit, allen Menschen der Welt ein gutes Leben zu ermöglichen. Es ist unsere Aufgabe, Fortschritt und Zukunft menschengerecht zu gestalten. Diese Erfolge haben nicht Einzelne erreicht. Soziale, ökologische und demokratische Erfolge sind immer Teamwork.
Soziale Bewegungen funktionieren im besten Falle wie ein selbstspielendes Klavier. Da braucht es viele, viele Tasten und jede einzelne dieser Tasten ist wichtig für die Melodie, für das Lied, für den Erfolg. Eine dieser Tasten bin ich, nicht mehr, nicht weniger.
Ich erhalte den Preis stellvertretend für ein Netzwerk, für ein regionales, aber auch für ein globales Team von Frauen und Männern. Wir/Ich werden für das gelobt und geehrt, was wir in der Vergangenheit getan und erreicht haben und wir werden dafür kritisiert und bekämpft, was wir aktuell fordern und durchsetzen wollen.
Ich stehe für die Menschen, die manchmal auch verzweifelt, Wege in eine menschliche, nachhaltige, gerechte Zukunft suchen und die dabei manchmal auch Irrwege gehen.
Der Preis geht an mich, ich stehe für den Teil der Zivilgesellschaft, der sich für Demokratie, Freiheit, Frieden, Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz, milliardärsunabhängige Pressefreiheit, soziale Gerechtigkeit und die Werte der unvollendeten Aufklärung einsetzt. | Mehr | | | | Eintrag vom: 09.05.2025 | Autor: Axel Mayer, Endingen |
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