Miller: Nur konsequenter Schutz kann betroffene Vogelarten retten
Berlin, August 2022 - Die Vogelgrippe grassiert unter Basstölpeln, Brandseeschwalben, Flussseeschwalben, Kormoranen und anderen Meeresvögeln. Bereits im Mai waren in Deutschland die ersten Verdachtsfälle des Hochpathogenen Aviären Influenza-Virus (HPAIV) vom Typ H5N1 außerhalb der sonst üblichen Jahreszeit gemeldet worden. 35 tote Brandseeschwalben wurden auf der Insel Trischen gefunden. Zuvor gab es besorgniserregende Fundzahlen aus den Niederlanden und Großbritannien. Der NABU fordert angesichts der Ausbreitung der Seuche Maßnahmen zum Schutz der Wildvögel.
„Hauptamtliche und ehrenamtliche Vogelschützer können dem Sterben der Tiere nur machtlos zusehen. Der einzelne Vogel lässt sich nicht behandeln und retten. Doch dass diese Tragödie ganze Vogelpopulationen an die Schwelle des Verschwindens bringt, kann nur geschehen, weil die Nord- und Ostsee mit ihren Lebensgemeinschaften durch Eingriffe des Menschen an ihren Belastungsgrenzen sind“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Überfischung, die Vermüllung der Meere, mariner Rohstoffabbau, Störungen durch Schiffsverkehr und der Ausbau der Offshore-Windenergie sind wesentliche Treiber für den Verlust von Brut-, Nahrungs- und Rastgebieten für Meeres- und Küstenvögel.
In diesem Jahr ist besonders auffällig, dass die Erkrankung mitten in der Brutzeit zuschlägt und vor allem da sehr hohe Verluste verursacht, wo Vögel in Kolonien dicht beieinander brüten. Wenn Altvögel erkranken und sterben, sind auch die Jungen im Nest oft direkt oder indirekt durch Nahrungsmangel dem Tod geweiht. In der einzigen deutschen Basstölpelkolonie auf Helgoland wurden beispielsweise bis Ende Juli bereits über 170 tote Jungvögel gefunden. Der Virustyp könnte möglicherweise endemisch werden, also zukünftig nicht nur saisonal, sondern ganzjährig auftreten. Übertragungen auf räuberische Säugetiere sind in Einzelfällen nachgewiesen.
Das fatale Sterben ganzer Brutkolonien zeigt, wie fragil das System Meer ist. Jetzt muss es darum gehen, einen entscheidenden Beitrag zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Seevogelpopulationen, aber auch anderen Artengruppen, dem Meer und seiner Systemfunktionen zu leisten. Für Basstölpel, Brandseeschwalbe & Co heißt das, die Fischerei – besonders mit Grundschleppnetzen und auf wichtige Beutefische wie Sandaale – muss wirksam reguliert werden. Außerdem muss der Verlust von Rast- und Nahrungsgebieten verhindert und der Ausbau der Windenergie darf nur außerhalb von Schutzgebieten und wichtigen Wanderkorridoren vorangetrieben werden. Nur wenn das gelingt, können so massive Ausfälle wie aktuell beobachtet von den Populationen kompensiert werden.
Auch akute Maßnahmen zur Eindämmung der Vogelgrippe müssen getroffen werden. Ein nationaler Reaktionsplan für HPAIV-Varianten wie H5N1 bei Wildvögeln sollte für alle Bundesländer ausgearbeitet werden, einhergehend mit einem Informationsaustausch zwischen den Ländern, aber auch mit anderen europäischen Staaten. „Wir brauchen ein wirksames Monitoring-, Überwachungs-, Forschungs- und Meldesysteme, um ein Echtzeitwissen über das Virus und seine Entwicklung bei Wildvögeln aufzubauen. Nicht zuletzt müssen potenziell hochriskante Faktoren zur Übertragung aus der Geflügelhaltung eliminiert werden”, fordert NABU-Vogelschutzexperte Martin Rümmler. |