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Bahnausbau am Oberrhein
Ein Positionspapier des BUND-Regionalverbands Südlicher Oberrhein

Zum Themenbereich Neubaustrecke der Bahn am Oberrhein gibt es eine Vielzahl von Stellungnahmen unterschiedlichster Interessengruppen. Auch der BUND und seine Gruppen vor Ort haben immer wieder zu Details der Planung für Mensch, Natur und Umwelt Stellungnahmen abgegeben. Was bisher fehlte, war eine kurze Bewertung des Gesamtprojekts. Dieses Fehlen hat auch damit zu tun, dass es keine „guten Lösungen“ gibt. Es gibt für die geschundene Landschaft und die lärmgeplagten Menschen am Oberrhein nur „unterschiedlich schlechte“ Lösungen. Im Gegensatz zu Positionen von örtlichen Bürgerinitiativen muss der BUND auch überregionale Aspekte der Nachhaltigkeit in seine Überlegungen mit einbeziehen. Bürgerinitiativen müssen das Maximale für ihre Mitglieder und die Menschen vor Ort fordern. Ein Naturschutzverband muss neben der örtlichen Betroffenheit auch darauf achten, dass beispielsweise das Bahnfahren in Zukunft noch erschwinglich sein wird.

Transitland Oberrhein
Der Verkehr auf Straßen und Schienen am Oberrhein nimmt zu. In Sachen Verkehr wird Südbaden immer stärker zur zentralen europäischen Nord-Süd-Achse mit zunehmend unerträglichen Abgas-, Lärm- und Flächenverbrauchsproblemen. In der veröffentlichten Diskussion spielt dabei das Hauptproblem, der PKW- und LKW-Verkehr, der Ausbau der Straßen und insbesondere die Pläne, die teilprivatisierte Autobahn A5 sechsspurig auszubauen, leider eine untergeordnete Rolle. Eine rasche Verwirklichung der europäischen Verkehrsprojekte am Oberrhein (Verkehrsdrehkreuz Oberrhein) ist ein zentrales Ziel der Metropolregion. Ein „Verkehrsdrehkreuz Oberrhein“ kann für AnwohnerInnen auch ein Alptraum sein.

Die Neu- und Ausbaustrecke der Bahn zwischen Karlsruhe und Basel
soll nach offiziellen Angaben einen Teil des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene verlagern, die Fahrzeit von Karlsruhe nach Basel um insgesamt 31 Minuten verkürzen und Möglichkeiten bieten, den ÖPNV vor Ort zu verbessern.

Der BUND für Umwelt und Naturschutz
unterstützt diese Ziele. Dennoch müssen wir manche Bahnaussagen auch kritisch hinterfragen. Wir leben in einer nicht nachhaltigen Raubbaugesellschaft, die auch beim Menschen- und Gütertransport immer mehr und alles gleichzeitig will und zwar sofort.

- Es sollen zwar mehr Güter auf die Bahn, gleichzeitig soll der LKW-Verkehr auf der ausgebauten Autobahn auch massiv zunehmen. Es geht nicht um eine Verkehrsverlagerung, um ein „Entweder - Oder“ sondern um ein unhinterfragtes Mehr an Güterverkehr.

- Die Bahn soll dem innereuropäischen Flugverkehr Konkurrenz machen und mit höheren Bahngeschwindigkeiten Vielflieger zum umweltfreundlicheren Zug umleiten. Doch „der Himmel ist voll“, die Flugplätze sind am Rande ihrer Kapazität. So schafft die „Entlastung durch die Bahn“ im innereuropäischen Flugverkehr mehr Kapazitäten für außereuropäische Fernflüge. Gleichzeitig steigt mit den hohen Bahn-Geschwindigkeiten auch der Energieverbrauch der Züge massiv an und frisst manche Umweltvorteile der Bahn wieder auf.

Immer mehr Menschen und Güter mit immer höheren Geschwindigkeiten, mit einem gesteigerten Rohstoff- und Energieverbrauch zu transportieren... Dieses Grundprinzip ist in einer Zeit des Klimawandels, schwindender Öl-, Gas,- Uran- und Rohstoffvorräte (– in der wir gerade in einem Jahr weltweit so viele fossile Rohstoffe verbrauchen, wie die Erde innerhalb einer Million Jahre herausgebildet hat –) dauerhaft nicht aufrecht zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist der Bahnausbau nicht die tolle, ökologische und nachhaltige Problemlösung, sondern das deutlich kleinere Übel.

Auf die Details der Planung kann ein solch kurzes Positionspapier nur sehr allgemein eingehen. Dazu gibt es die vielfältigen Stellungnahmen der BUND-Gruppen vor Ort. Wo immer möglich, setzen wir uns für finanzierbare, menschen- und naturschonende Trassen und für optimalen Lärmschutz ein.

Autobahn-parallel oder Bahn-parallel ist insbesondere im Norden eine der zentralen und umstrittensten Fragen der Bahnplanung. Vor vielen Jahren hatten sich die Naturschutzverbände gemeinsam auf die bahnparallele Trasse festgelegt. Zwischenzeitlich haben viele neue Informationen und Argumente diese Position aufgeweicht und verändert. Heute stehen wir vor der zentralen Frage, ob das „Schutzgut Natur“ oder das „Schutzgut Mensch“ im Vordergrund unserer Argumentation stehen soll. Deutlicher als in dieser unsäglichen Fragestellung kann sich unser Dilemma bei den Planungen nicht zeigen. Das „Schutzgut Mensch“ spricht aus Herbolzheimer und Kenzinger Sicht für die Autobahnparallele. Aus Sicht der weiter von der Bahn entfernten Orte im Westen spricht es für die Bahnparallele. Menschen sind vom Bahnausbau immer betroffen, mal mehr, mal weniger. Wenn wir jetzt mehrheitlich „eher“ für die Autobahnparallele und einen Tunnel in Offenburg sind, dann heißt das nicht, dass wir mit Vehemenz für diese Trasse streiten. Die Argumente unserer Schwesterorganisation NABU oder einzelner, direkt betroffener BUND-Mitglieder für die Bahnparallele sind akzeptabel und nachvollziehbar.

Den Flächenverbrauch durch eine möglichst enge Bündelung der Trassen minimieren Schon in der frühesten Planung hat sich der BUND als Erster für eine möglichst enge Bündelung von Bahntrasse und Autobahn und für einen optimalen Lärmschutz eingesetzt. Sicherheit durch Technik (Trennwand) statt durch Flächenverbrauch muss die Devise sein. Der (viel zu große) Regelabstand zwischen Bahn und Autobahn liegt bei 18,5 Metern. Dieser Sicherheitsabstand zwischen Autobahn und Neubautrasse führt zu einem nicht hinnehmbaren Flächenverbrauch zu Lasten von Natur und Landwirtschaft und erhöht die Kosten für Brückenbauwerke.

Extrem landschaftsverschandelnde Teilstrecken wie beispielsweise die geplanten Überwerfungsbauwerke bei Kenzingen / Herbolzheim brächten bei der Bahnparallele eine massive Entwertung der Landschaft und sind darum so nicht akzeptabel. Hier sind landschaftsschonende Alternativen zu realisieren (Tieferlage). Auch wertvolle Naturschutzgebiete müssen bestmöglich geschützt werden.

Ökologische Ausgleichsmaßnahmen
Vor dem sogenannten "Ausgleich" muss stets das Ziel der Minimierung der Eingriffe stehen. Starke Lobbygruppen (u.a. die Landwirtschaft) melden massiv ihre Interessen an. Wir sehen die große Gefahr, dass nicht in mehr Natur und mehr Flächen, sondern in teure, technisch aufwendige Einzelmaßnahmen investiert werden könnte. Alibibiotope lehnen wir ab.

Unsere Hauptforderung bei den Ausgleichsmaßnahmen: Mehr Platz für Bäche und Flüsse
Die problematischsten Aspekte der Neubaustrecke sind der Flächenverbrauch, die Landschaftszerschneidung und der Lärm. Wir brauchen, neben dem Lärmschutz also Projekte, die genau an diesen Problemfeldern ansetzen.
Die meisten Mittel- und Unterläufe unserer Bäche und Flüsse wurden zu geradegestreckten, kanalisierten, naturfernen Kanälen umgebaut. Möhlin, Elz, Dreisam, Glotter, Schutter, Kinzig – diese landschaftsprägenden Gewässer unserer Heimat könnten durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Dammrückverlegungen, ökologisch aufgewertet und renaturiert werden. So könnten auch zusätzliche Möglichkeiten zur Hochwasserrückhaltung geschaffen werden. Es sollte auch versucht werden, durch geeignete bauliche Maßnahmen (z.B. breite Durchlässe unter Autobahn und Neubautrasse) die Wandermöglichkeit von Tieren entlang der Bäche wieder zu verbessern. Grüne Bänder, d.h. breite, naturnahe Korridore, teilweise mit Auecharakter zwischen Schwarzwald und Rheinaue sollten als Ziel angestrebt werden. Nicht teure Ingenieurbiologie, sondern zusammenhängende Flächen, insbesondere die weniger wertvollen Böden in Bachnähe, werden gebraucht. Dazu gehört auch die Wiedervernässung von Wiesen in Flussnähe, als Maßnahme für einen wirklichen Biotopverbund. Für Teilabschnitte der Dreisam liegen fertig ausgearbeitete Konzepte vor. An Hand dieses Beispiels sollte geprüft werden, an welchen Gewässern der Region mit dem geringsten finanziellen Aufwand der größtmögliche Effekt für Mensch und Natur erzielt werden könnte.

Andere wichtige Ausgleichsmaßnahmen:
Neben diesem zentralen Schwerpunkt, der nach Ansicht des BUND oberste Priorität haben sollte, gibt es noch eine Vielzahl von wichtigen Projekten und Vorschlägen, die von allen Verbänden gemeinsam unterstützt werden. Dazu gehören u.a. die Wiedervernässung von Wiesen, Sümpfen und Wäldern, Maßnahmen zur Förderung von Brutvögeln, Insekten und Amphibien sowie ökologisch ausgerichtete Waldpflege. Sollten die Ausgleichsgelder nicht sofort ausgegeben werden können, dann sollte ein Teil der Summe in eine regionale Naturschutzstiftung eingebracht werden.

Der BUND sagt differenziert “Ja, aber” zu den Planungen der Bahn. Um so deutlicher ist unser Nein zu den Plänen, die Umweltzerstörung am Oberrhein durch den Ausbau der Autobahn massiv zu verstärken. Wir sehen die Pläne der Bahn kritisch, vor dem Hintergrund des Flächenverbrauchs, der Naturzerstörung, der Verlärmung und der damit verbundenen abnehmenden Lebensqualität am Oberrhein.

Ilse Weghaupt / BUND-Vorsitzende, Ortenaukreis
Gerhard Völker / BUND-Vorsitzender Landkreis, Emmendingen
Frank Baum / BUND-Regionalvorstand, Breisgau Hochschwarzwald
Andreas Hoffmann / BUND-Vorsitzender, Freiburg
Axel Mayer / BUND-Geschäftsführer, Südlicher Oberrhein
 
Eintrag vom: 11.11.2009  




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