KĂ€mpfe, RĂ€uber, Wampen unter WĂ€rmelampen:
Die ErdmÀnnchen-Saga geht in eine neue Runde
Von der Ăffentlichkeit wegen der Corona-EinschrĂ€nkungen weitgehend unbemerkt hat sich im November auf dem Mundenhof eine schicksalhafte FĂŒgung in der ErdmĂ€nnchen-Saga abgespielt. Es ist eine Saga um Futterneid, Fingerspitzen, Weibchenraub und ein MĂ€nnchen namens Stuttgart. Und sie beginnt im Jahre 1999, im HerzstĂŒck des Freiburger Tiergeheges.
ErdmĂ€nnchen â der Name gilt fĂŒr Vertreter beiderlei Geschlechts â sind mit ihren 700 bis 900 Gramm die kleinsten Mangusten. Die meisten Safari-Touristen kehren aus dem sĂŒdlichen Afrika als groĂe ErdmĂ€nnchen-Fans zurĂŒck, weil die Tiere durch ihr Sozialverhalten, ihre Wachsamkeit und FotogenitĂ€t viele Sympathie-Punkte sammeln. (Bei FuĂballern, Farmerinnen und Skorpionen sind sie weniger beliebt, teils weil sie unablĂ€ssig Löcher in den Boden graben, teils weil sie danach viel Hunger haben.)
Die hohen Sympathiewerte haben ErdmĂ€nnchen auch in Europas Tierparks schnell zu Publikumslieblingen gemacht. So beherbergt auch der Mundenhof seit 1999 eigene ErdmĂ€nnchen. Anfangs waren es vier Tiere, und sie eroberten im Nu nicht nur Kinderherzen. Bald wurden daraus zehn Tiere; der letzte Nachwuchs datiert aus dem Jahr 2015. Dann kam die Gruppe in die Jahre und begann zu schrumpfen. Die VerstĂ€rkung durch NeuzugĂ€nge aus anderen Tierparks stieĂ auf Schwierigkeiten, weil ErdmĂ€nnchen zwar innerhalb ihrer Gemeinschaft in hohem MaĂe sozial sind. Neuen EinflĂŒssen und besonders neuen ErdmĂ€nnchen stehen sie aber mindestens im gleichen MaĂe abwehrend gegenĂŒber.
Auch auf dem Mundenhof folgte die ErdmĂ€nnchen-Saga dem bekannten Drehbuch. Sobald das Alphaweibchen nicht mehr zeugungsfĂ€hig war, stagnierte die GruppengröĂe. Nachdem die Dame 2016 in hohem Alter verstarb, begann der von heftigen BeiĂereien begleitete Nachfolgestreit. Obwohl sich ein neues ErdmĂ€nnchenweibchen die Chefinnenrolle sicherte, war unter diesen Gegebenheiten nicht an den lang ersehnten Nachwuchs zu denken. Die Gruppe schrumpfte.
Also machten sich die Tierpfleger und Tierpflegerinnen daran, , die Gruppe behutsam zu verjĂŒngen und neue Tiere aus anderen Zoos zu integrieren. ErdmĂ€nnchenfreunde wissen indes: Dies Unterfangen ist ein schwieriges. Es erfordert FingerspitzengefĂŒhl, Beobachtungsgabe und Tierkenntnis. Neue Tiere werden von der bestehenden Gesellschaft, dem âKlanâ, zunĂ€chst als Eindringlinge gesehen und attackiert.
In zehn FĂ€llen konnten die Integrations-Beauftragten des Mundenhofs im Laufe der Jahre diese schwierige Phase meistern. Nur einer der NeuzugĂ€nge musste wieder gehen, weil die anderen Tiere des Klans ihn nicht in die Gruppe aufnehmen wollten und immer wieder wegbissen. Allerdings zog sich die Integration der jĂŒngsten âNeuenâ wieder ĂŒber Jahre hin. WĂ€hrenddessen starben altersbedingt weitere Mitglieder der ursprĂŒnglichen Gruppe, bis in diesem Sommer noch zwei Tiere ĂŒbrig waren, eines davon die letzte eigene Nachzucht des Mundenhofs.
Zwei Tiere, eines erdweiblich, eines erdmĂ€nnlich, dazu ein warmer Sommer fast mit Kalahari-Temperaturen â eigentlich klang die Konstellation nicht schlecht fĂŒr die GrĂŒndung einer neuen Gruppe. So war auf dem Mundenhof die Hoffnung auf Nachwuchs groĂ. Doch alles Warten war vergebens, denn am 11. November verschwand das Weibchen. Auf welchem Weg und mit welchem Ziel, weiĂ niemand. Ob es lebend aus dem Gehege entwendet wurde oder einem tierischen RĂ€uber zum Opfer fiel, ist nicht bekannt.
Fest steht leider nur, dass es sich nicht (wie zunĂ€chst erhofft) in das verzweigte Gangsystem zurĂŒckgezogen hat, um Nachwuchs zur Welt zu bringen. In solchen FĂ€llen ist es nĂ€mlich ĂŒblich, dass der mĂ€nnliche Partner das Weibchen mit Futter versorgt, indem er ihr Leckereien in die Wurfhöhle trĂ€gt. Stattdessen fraĂ das verbliebene MĂ€nnchen fĂŒr Zwei und sonnte seine Wampe anschlieĂend unter der WĂ€rmelampe; von unterstĂŒtzender Brutpflege keine Spur.
Getreu dem Lehrsatz âEin ErdmĂ€nnchen ist kein ErdmĂ€nnchenâ beschloss die Mundenhof-Leitung nun eine ZĂ€sur. Um der Biologie der geselligen Tiere gerecht zu werden, wurde entschieden, das MĂ€nnchen mit dem prosaischen Vornamen âStuttgartâ abzugeben. FĂŒr Stuttgart wurde eine gute Unterbringung in einem Tierpark auĂerhalb Baden-WĂŒrttembergs gefunden. Dort wird es mit zwei Weibchen âvergesellschaftetâ, wie Kenner des ErdmĂ€nnchentums einander zuraunen.
Das MĂ€nnchen verlĂ€sst den Mundenhof ĂŒbernĂ€chste Woche. Danach wird das ErdmĂ€nnchengehege umgestaltet und aufgewertet. Mitte Dezember beginnen unter anderem umfangreiche Baggerarbeiten, um das komplette Grabmaterial zu ersetzen, Reparaturen und Ausbesserungen des Innenstalls. Auch das AuĂengehege erhĂ€lt ein neues Gesicht, mit Aussichtspunkten und beheizten FlĂ€chen fĂŒr die wĂ€rmeliebenden Tiere.
Zur Zeit kann die Höhe der Umbaukosten nicht geschĂ€tzt werden, da noch nicht feststeht, wie das Gehege spĂ€ter aussehen soll. Der Förderverein Mundenhof hat bereits seine finanzielle UnterstĂŒtzung zugesichert. Auch Privatleute können den Umbau des Geheges mit einer Spende unterstĂŒtzen. Allen ErdmĂ€nnchen-Liebhabern bietet der Mundenhof zudem die Möglichkeit, eine ErdmĂ€nnchen-Patenschaft abzuschlieĂen.
BĂŒrgermeisterin Gerda Stuchlik begrĂŒĂt die Neuigkeiten vom Mundenhof: âAuch ich freue mich ĂŒber den glĂŒcklichen Ausgang sowohl fĂŒr das MĂ€nnchen als auch fĂŒr das Gehege und die nachfolgenden Bewohner. Ende MĂ€rz soll das Gehege fertig sein, so dass schon nach Ostern ein neues PĂ€rchen oder eine neue Gruppe einziehen kann.â
Ob PĂ€rchen oder Gruppe â fest steht bereits heute: Sobald das Corona-Regime aufgehoben und das ErdmĂ€nnchen-Gehege wieder bewohnt ist, werden sich wieder Menschentrauben drumherum bilden. Denn ErdmĂ€nnchen sind allseits beliebt. AuĂer bei FuĂballern, Farmerinnen und Skorpionen.
PS. Zur Zeit ist der Mundenhof weiterhin geschlossen. Alle Menschen, MĂ€nnchen wie Weibchen, werden gebeten, sich an die SchlieĂung zu halten. Stichprobenartig finden Kontrollen statt. |