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NABU: Resümee der Verhandlung zur Fehmarnbeltquerung am Bundesverwaltungsgericht
Intensive Verhandlungstage / Krüger: Massive Fehler bei der Planfeststellung

Berlin, 05.10.2020 – Nach fünf intensiven Verhandlungstagen am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zieht der NABU eine erste Bilanz der Verhandlung zur geplanten Fehmarnbeltquerung. Neben den gerügten Planungsfehlern und dem drohenden Umweltschaden standen auch die unübersichtlichen Verfahrensunterlagen im Mittelpunkt der Diskussion. Diese erschwerten immer wieder die fachliche und rechtliche Auseinandersetzung. Am 3. November soll das Urteil verkündet werden. Der NABU hofft auf eine Entscheidung des Senats für die Ostsee.

Verkehrsprognosen, Tunnelsicherheit, Alternativenprüfungen, Existenz- und Umweltfragen – das Programm am Bundesverwaltungsgericht war vielfältig und komplex, die Verhandlungstage waren lang. „Der 9. Senat hat an vielen Stellen die richtigen Fragen gestellt, und wir haben deutlich gemacht, wo die Versäumnisse des Planfeststellungsbeschlusses liegen“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Die Biotopkartierungen entlang der geplanten Trasse sind falsch, die Auswirkungsprognose auf den Schweinswal fehlerhaft und das Projekt nicht mit den Zielen des Meeresschutzgebiets ‚Fehmarnbelt‘ vereinbar. Die niedrigen und zudem fragwürdigen Verkehrserwartungen von 5.000 bis 8.000 Fahrzeugen pro Tag können den massiven Umweltschaden nicht rechtfertigen.“

Der Artikel 22 des Staatsvertrages würde eine Neubewertung des Projektes ermöglichen. Doch die zuständige Planfeststellungsbehörde und die beigeladene Femern AS klammerten sich immer wieder an die Logik des Staatsvertrags, ohne Berücksichtigung von verkehrspolitischen und gesellschaftspolitischen Veränderungen in Zeiten von Klimakrise und Artensterben. Besonders intensiv wurde wie erwartet um die Riffe im Fehmarnbelt gestritten, einen streng geschützten Lebensraumtyp der Ostsee. Der NABU kritisierte dabei scharf die Versuche der Bagatellisierung durch Femern AS. „Es wurden gleich vier Riffe auf und nahe der geplanten Trasse übersehen“, sagt Dr. Kim Cornelius Detloff, NABU-Leiter Meeresschutz. „Im unmittelbar durch die Sedimentation stark beeinträchtigen Bereich von drei Kilometern zum Tunnelgraben haben wir heute mindestens 25 Prozent mehr Riffe als angenommen. Die methodischen Fehler der Biotopkartierung sind ebenso wenig erklär- wie heilbar.“

In der kontroversen naturschutzfachlichen und -rechtlichen Diskussion zeigte sich in Leipzig nach Einschätzung des NABU einerseits, dass das Gericht tief in die Thematik eingestiegen ist, andererseits aber auch die Tendenz, eine Heilung gerügter Fehler noch vor dem Urteil mit zu fördern. „Nach unserer Wahrnehmung müssen Argumente von Klägern außergewöhnlich stark sein, um einer Klage in Großprojekten wie diesem zum Erfolg zu verhelfen. Doch insbesondere im Fall der übersehenen Riffe, der Vertreibung streng geschützter Schweinswale und des fehlenden Bedarfs glauben wir, genau das erreicht zu haben“, so Malte Siegert, NABU-Verkehrsexperte und Vorsitzender des NABU Hamburg.

Hintergrund und Chronik:

Vor 25 Jahren beginnt die Planung des Ostseetunnels mit ersten Machbarkeitsstudien. 2008 wird zwischen Dänemark und Deutschland ein Staatsvertrag zum Bau der Fehmarnbeltquerung geschlossen. Damals noch als Schrägkabelbrücke geplant, kommt 2011 die Tunnel-Entscheidung. Das Amt für Planfeststellung des Landes Schleswig-Holstein gibt im Januar 2019 Vorhabenträger Femern AS grünes Licht für den Bau Europas größten Infrastrukturprojekts. Der NABU klagt im April 2019 gegen den Planfeststellungsbeschluss, schätzt den ökologischen Schaden durch den Tunnelbau im Meeresschutzgebiet als verheerend und unverhältnismäßig ein. Im September 2019 nach Taucharbeiten die Bestätigung: Sie weisen mehrere Quadratkilometer große Riffstrukturen nach – genau dort, wo der Fehmarnbelt-Tunnel gebaut werden soll. In den Gutachten von Femern AS fanden sich 2013 noch Hinweise auf solche Riffe, in der eigentlichen Umweltverträglichkeitsstudie wurde daraus Feinsubstrat – also Sand oder Schlick. Die Zerstörung kostbarer artenreicher Riffe wurde also nie geprüft.
Die unwiederbringliche Vernichtung des einmaligen Ökosystems durch den Bau des Absenktunnels wiegt umso schwerer, als dass der Bedarf dafür gering ist. Der Verkehr kann mühelos über die bestehenden Straßen- und Schienenverbindungen über Land, Brücken und Fähre abgewickelt werden. Der NABU fordert daher einen Ausstieg aus dem Projekt.
Sollte dies politisch mit unseren dänischen Nachbarn nicht durchsetzbar sein, muss nach Einschätzung des NABU zwingend die ökologisch verträglichste Tunnelvariante gebaut werden: Ein bergmännisch gebohrter Eisenbahntunnel.
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Eintrag vom: 08.10.2020  




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