Gefährdung von Tierarten – und was man dagegen tun kann
Artenvielfalt, Artenschutz, Zerstörung von Lebensraum,
Ausrottung – fast täglich findet man diese Begriffe in den
Medien. Doch was ist so schlimm am Verlust einer Art, wozu
Rücksicht nehmen?
Zum Beispiel das Tagpfauenauge – es ist einer der
bekanntesten einheimischen Falter und der Schmetterling des
Jahres 2009. Mit seiner charakteristischen Zeichnung, großen
blauen Augen auf rot gemusterten Flügeln, schreckt er seine
Feinde ab und bietet den Menschen einen attraktiven Anblick,
der für viele zum Sommer gehört wie Biergarten und
Badesee. Doch seine Zukunft und die vieler
mitteleuropäischer Schmetterlingsarten ist gefährdet.
Um die Situation zu begreifen, muss man weiter ausholen.
Bei der Entstehung der Arten hat sich zwischen
Schmetterlingen und Pflanzen ein kompliziertes
Zusammenspiel entwickelt. Es ist in seinen Ausmaßen auf
den ersten Blick kaum erkennbar, auf den zweiten aber umso
faszinierender.
Beginnen wir bei den Brennnesseln. Wer ist nicht schon beim
Wandern oder bei der Gartenarbeit mit ihnen in Kontakt
gekommen und hat ihren Nutzen spontan in Frage gestellt?
Doch das Tagpfauenauge und viele andere einheimische
Schmetterlingsarten wie Admiral oder Kleiner Fuchs nutzen
die Brennnessel als Kinderstube. Sie ist für sie
überlebensnotwendig. Die Raupen ernähren sich
ausschließlich von ihren Blättern. Und spätestens seit der
Raupe Nimmersatt weiß jede/r: ohne Raupen keine Puppen,
ohne Puppen keine Schmetterlinge.
Das Tagpfauenauge ernährt sich vom Nektar einheimischer
Blütenpflanzen. Genügen ihm im Frühjahr der gelbe Huflattich
und die weiße Schlehe, so bevorzugt es im Sommer rote bis
blau-violette Blüten wie Ackerkratzdistel, Wiesen-
Flockenblume und Tauben-Skabiose, die auf normalen
Blumenwiesen vorkommen. Das Problem: „Normale“
Blumenwiesen sind kaum noch zu finden. Während die
Tagfalter von der Farbenpracht der Blüten angezogen
werden, locken Pflanzen wie die Nachtkerzen Nachtfalter mit
ihrem starken Geruch an.
Die Tauben-Skabiose bevorzugt einen nährstoffarmen,
mageren Boden. Die Pflanzengesellschaften, die dort
wachsen, werden auch Trocken- und Halbtrockenrasen
genannt. Viele Wiesen dienen aber landwirtschaftlichen
Zwecken. Sie werden mehrmals im Jahr gemäht, die Mahd
dient als Futtermittel. Damit sie einen möglichst hohen Ertrag
bringen, werden die Wiesen gedüngt. Das im Einklang mit
dem Artenschutz zu tun, ermöglichen landwirtschaftliche
Förderprogramme, die den Landwirten Einnahmeausfälle
ersetzen.
Wer hat in letzter Zeit einen Admiral gesehen oder einen
Kleinen Fuchs oder einen Schwalbenschwanz? Verschwinden
die Blumenwiesen, verschwinden nach und nach auch die
einheimischen Schmetterlingsarten. Das Umweltschutzamt
weist darauf hin, dass sich über die Hälfte von ihnen auf der
Roten Liste der bedrohten Arten finden.
Doch wie geht es weiter mit dem Beispiel? Schmetterlinge
befruchten mit ihren langen Saugrüsseln Pflanzen. Aufgrund
der Blütenform kommen dafür manchmal keine anderen
Insekten in Frage. Beim Fressen streifen die Falter
automatisch Pollen von den Staubblättern der Blüte, tragen
sie auf die nächste weiter und bestäuben sie. Auf diese Weise
sorgen Schmetterlinge für die Vermehrung, Verbreitung und
den Erhalt der Pflanzen.
Neben ihrer Rolle als Bestäuber dienen die Schmetterlinge
aber auch als Vogelnahrung, und zwar in jedem ihrer
Entwicklungsstadien. Egal ob Raupe, Puppe oder fertiger
Schmetterling – ein hungriger Schnabel findet sich immer.
Und auch Fledermäuse sind einem flatternden Imbiss nicht
abgeneigt. Gegen sie haben Falter kaum eine Chance: Sie
werden mit Schallwellen geortet und direkt aus der Luft
geschnappt.
Vögel und Fledermäuse ernähren sich aber nicht
ausschließlich von Faltern, sondern auch von anderen
Insekten und Gliederfüßlern und begrenzen damit deren Zahl.
Das bedeutet: Plagen, zum Beispiel durch Stechmücken,
werden in Grenzen gehalten beziehungsweise könnten noch
viel schlimmer sein. Damit tragen Schmetterlinge auch
mittelbar zum Gleichgewicht von Schädlingen und Nützlingen
bei.
Ein weiteres Beispiel: Einige Schlupfwespen bieten ihren
Larven ein besonderes Schlaraffenland: Sie legen ihre Eier
direkt in eine lebende, aber durch Gift gelähmte Raupe.
Schlüpft die Larve, befindet sie sich direkt in ihrer
Nahrungsquelle, und die Schlemmerei kann beginnen. Die
Schlupfwespen verwenden nicht nur die Raupen von Faltern,
sondern auch die Larven anderer Insekten, weshalb man sie
in der Landwirtschaft als ökologische Schädlingsbekämpfer
einsetzt.
Eine Besonderheit des Tagpfauenauges ist es, dass die
erwachsenen Tiere häufig auf Dachböden oder in
Kellerräumen überwintern. Wer also in seinem Haus auf
scheinbar leblose Falter trifft, sollte sie nicht entfernen. Denn
sie beenden im Frühjahr ihre Winterruhe und beginnen eine
neue Generation von Faltern.
Wie kann man dazu beitragen, dass es auch künftig
Tagpfauenaugen gibt? Das Umweltschutzamt rät,
Brennnesseln im Garten einfach einmal stehen zu lassen
oder in einem Abschnitt des Rasens Wiesenblumen zu säen.
Weitere Tipps zum ökologischen Leben und Naturschutz im
eigenen Garten finden sich auf den Internetseiten des
Naturschutzbunds Deutschland (www.nabu.de) oder des
BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(www.bund.net). Dort erfährt man zum Beispiel, was man für
Singvögel oder Fledermäuse tun kann. |