Der Countdown bis Weihnachten steigert bei vielen den Stresspegel. Die notwendige Gelassenheit, um die Feiertage bewusst zu gestalten, kommt oft zu kurz. Für Slow Food Deutschland aber ist Zeit und Wertschätzung nicht nur der Schlüssel für ein nahrhaftes und genussvolles Lebensmittel, sondern auch für kulinarische und besinnliche Weihnachten. Der bundesweit aktive Verein empfiehlt Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich vom Genuss anstatt von der Hektik des Weihnachtsgeschäfts leiten zu lassen, gute, nahrhafte Zutaten aus der Region auszuwählen, sie kreativ zuzubereiten und gemeinsam zu genießen. Das spart eigene Ressourcen und die unseres Planeten.
Auch ein Feiertag hat nur 24 Stunden
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind um einen gefüllten Kühlschrank zu Weihnachten bemüht. Doch ist gefüllt das eine, überfüllt das andere. Zeiten, die sie außerhalb ihrer eigenen vier Wände, im Familien- und Bekanntenkreis verbringen, planen viele nicht ein und sind überrascht, wenn am Ende der Festtage ein Großteil des Einkaufs weiterhin darauf wartet, verzehrt zu werden. Vieles landet auf dem Müll. Um das zu vermeiden, rät Slow Food, sich zu Weihnachten mehr denn je an einem sorgsam geführten Einkaufszettel zu orientieren, die Reste frühzeitig weiterzuverarbeiten und haltbar zu machen. Davon profitieren nicht nur ihr Geldbeutel, sondern auch Klima und Umwelt, indem Lebensmittel nicht unnötig verschwendet werden. Um das richtige Maß über die Festtage zu halten, hilft der Einkauf auf Märkten und Höfen. Im direkten Austausch mit kleinbäuerlichen Landwirten und Lebensmittelhandwerkern erfahren ihre Kundinnen und Kunden, was sie aus traditionellen Obst- und Gemüsesorten sowie alten Tierrassen der Region Besonderes zubereiten können.
Gans oder gar nicht?
In vielen Haushalten verbindet sich das Weihnachtsfest mit Fleischgenuss. Wie aber entfaltet sich dessen „wahrer“ Genuss? „Einerseits indem wir um die unbedenkliche und somit artgerechte Herkunft von Fleisch wissen und lernen, sie als Qualität herausschmecken. Andererseits indem wir Fleisch in seiner Vielfalt zubereiten“, ist Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, überzeugt. Das klassische Weihnachtsgeflügel sei etwas Köstliches und verdiene es, als Ganzes voll ausgekostet zu werden und zwar mehrfach, so Hudson weiter. „Verbraucherinnen und Verbrauchern, die beispielsweise Huhn als Ganzes braten, empfehle ich, es nicht beim einmaligen ‚Vergnügen‘ zu belassen. Von einem großen Huhn können viele Menschen mehrfach satt werden. Das Fleisch, für den Fall es bliebe was übrig, lässt sich in Sandwiches, für Frikassee oder Salate weiterverwenden. Und die abgenagte Karkasse, so ungewohnt es klingen mag, eignet sich hervorragend für eine Brühe. Ich kann nur jedem dazu raten, diese Form der Ganztier- und Mehrfachverwertung auszuprobieren“, schwärmt Hudson. Für wen es Fleisch, nicht unbedingt aber Gans oder Ente sein muss, dem empfiehlt Slow Food Schmorstücke vom Rind. „Ihr Metzger des Vertrauens wird es ihnen danken. Der nämlich bekommt Engpässe, wenn zum Heiligabend alle dasselbe wollen“, erklärt Jens Witt, Leiter des Köche-Netzwerkes von Slow Food.
„Meerwert“
Fisch ist neben Gans und Ente ein weiteres beliebtes Lebensmittel, welches zu Weihnachten auf die Teller kommt. Und klug ausgewählt ist es jeden Bissen wert: Slow Food rät auch hier auf die ökologisch unbedenkliche Herkunft zu achten, das Gespräch mit verantwortungsvollen Fischhändlern zu suchen anstatt gefährdete Arten wie den Aal oder den Schwertfisch zu kaufen. Am besten lässt man sich möglichst Fisch aus regionaler und nachhaltiger Bewirtschaftung empfehlen - im Binnenland etwa Karpfen oder Zander aus Seen, Flüssen oder Teichwirtschaften. „Für uns stehen solche sensiblen Kaufentscheidungen bei tierischen Produkten nicht für Verzicht, sondern für die Bereitschaft, bewusst mit unseren vorhandenen Ressourcen umzugehen und sich diese einzuteilen. Und in Zeiten in denen selbst die Spitzengastronomie Fleisch und Fisch als Beilage respektiert und Sterneköche durchaus auch vegetarisch kochen und pflanzliche Zutaten wie Hülsenfrüchten nutzen, ist ein solcher Appell salonfähig“, erklärt Hudson.
Kann denn Süßes Sünde sein?
Was die Kalorien angeht kann und darf es das, nicht aber bei den Zutaten. Denn das geht auf Kosten des Gaumens. Slow Food ermutigt Verbraucherinnen und Verbraucher dazu, auch kurz vor Weihnachten das Backen für sich zu entdecken und zwar mit der guten Zutat! Die Herkunft und die Qualität des Mehls, der Gewürze und der Nüsse beeinflussen, so Witt, den Geschmack des Gebäcks. „Wer nussige Aromen mag, der sollte für seine Plätzchen unbedingt alte Getreidesorten wie Emmer oder Dinkel von regionalen Mühlen probieren. Und ich empfehle mit Eiern hauszuhalten. Denn die sind aus artgerechter Haltung vor Weihnachten in der Regel knapp“, so Witt.
Gute Vorsätze sind dazu da gebrochen zu werden? Nicht unbedingt!
Gerade nach Weihnachten und dem Jahreswechsel beginnen viele mit Kalorienzählen, Fastenkuren und Verzicht. Slow Food hingegen macht im neuen Jahr mit dem Genuss weiter und lädt Menschen bei Aktionen und Veranstaltungen dazu ein, über Ernährung einmal anders nachzudenken. Sie lernen dabei, dass Genuss und Verantwortung unmittelbar zusammenhängen und beginnen, „einfache“ Grundnahrungsmitteln ihrer Region für die Alltagsküche wieder wertzuschätzen. „Wenn ich frische und nahrhafte Lebensmittel zu genießen weiß, die im Einklang mit Mensch und Tier sowie der biologischen Vielfalt erzeugt wurden, verändert das in der Regel mein Verantwortungsbewusstsein und mein Konsumverhalten. Das ist die Arbeit an der Basis, die wir leisten, um die notwendige Wende unseres Lebensmittelsystems voranzutreiben“, erklärt Hudson. |