Miller: Volkswirtschaftliche Überprüfung des Großprojekts muss Bestandteil der Sondierungsgespräche sein
Berlin – Angesichts der laufenden Sondierungsgespräche zwischen Union, Grünen und FDP fordert der NABU eine Neubewertung des umstrittenen Großvorhabens feste Fehmarnbeltquerung. Im Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark ist in Artikel 22 explizit festgelegt, die Lage bei veränderten Rahmenbedingungen „aufs Neue zu erläutern“. Der NABU sieht darin nicht nur die Chance, sondern auch die Notwendigkeit, das völlig überteuerte und aus Umweltsicht risikoreiche Projekt volkswirtschaftlich zu überprüfen.
„Wir brauchen die Verkehrswende und als dessen Bestandteil einen kritischen Umgang mit großen Infrastrukturprojekten. Dass dies überfällig ist, zeigen die Negativ-Beispiele Flughafen Berlin-Brandenburg, Stuttgart 21, die Elbvertiefung oder der Jade-Weser-Port. Es muss Schluss sein mit finanziell unverantwortlichen Mammut-Projekten auf Kosten von Natur und Umwelt“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Insbesondere die Grünen hatten sich immer wieder kritisch gegen den Bau der Querung ausgesprochen. Jenseits der absehbaren ökologischen Schäden auf deutscher Seite hätten sich die Kosten für die von Deutschland zu finanzierende Hinterlandanbindung für die Fehmarnbeltquerung mittlerweile auf rund drei Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Verantwortlich dafür sei unter anderem der planerisch wie finanziell völlig ungeklärte Neubau der Fehmarnsundquerung sowie die Bahn-Neubaustrecke ab Lübeck Richtung Norden, die ursprünglich auf der bestehenden Trasse lediglich elektrifiziert werden sollte.
Vor diesem Hintergrund wundert den NABU die Aussage von Femern A/S-Chef Baunkjaer, dass auf dänischer Seite zu den bisher eingeplanten rund sieben Milliarden Euro offensichtlich noch eine weitere Milliarde als finanzieller Puffer eingeplant werden kann. Denn die Refinanzierungsbasis des Vorhabens ist aus NABU-Sicht dort bereits komplett weggebrochen. Das Bahnaufkommen wurde in der Prognose halbiert. Die Dänen machen die Storebeltquerung durch eine massive Preissenkung attraktiver und rechnen dadurch pro Jahr mit 180.000 Fahrzeugen weniger am Fehmarnbelt. Die von Deutschland und Dänemark kurz vor Abschluss des Staatsvertrages zur Fehmarnbeltquerung verkaufte Reederei Scandlines wird ihren Betrieb nicht wie erwartet einstellen, sondern privatwirtschaftlich in Konkurrenz zum Tunnel weiter betreiben.
Ob die Fehmarnbeltquerung angesichts zahlreicher Alternativen im Ostseeraum überhaupt den von den Vorhabenträgern erwarteten „Staubsaugereffekt“ entfalten wird, halten zahlreiche Verkehrsfachleute schon lange für fraglich.
Der NABU hält die dänischen Verkehrsprognosen für unseriös. Ein Beispiel für die Trickserei zeigt sich besonders am Umgang mit dem so genannten „Bordershop-Verkehr“. Allein ein Drittel der Prognose von täglich rund 10.000 Fahrzeugen ist kein Verkehr zwischen Hamburg und Kopenhagen, sondern kleiner Grenzverkehr. Dänen der Region kaufen mit speziellen Fährtickets in Deutschland billig Alkohol ein. „Die Aussage vom Femern A/S-Vorsitzenden Baunkjaer, 2020 werde gebaut, ist ein hilfloser Versuch, die dänische Öffentlichkeit und Politik zu beschwichtigen und Zuversicht zu verbreiten. Ein höchst umweltschädliches Mammutvorhaben in einem EU-Meeresschutzgebiet ohne solide finanzielle Basis werden wir juristisch angreifen“, sagt Malte Siegert, NABU-Fehmarnbeltexperte. |