NABU ruft Bevölkerung zur Mithilfe auf - Schon über 650 Beobachtungen eingegangen
Berlin – In Deutschland gibt es wieder ein Vogelsterben, das durch das tropische Usutu-Virus ausgelöst wird. Vor allem Amseln sind betroffen. NABU und Tropenmediziner bitten die Bevölkerung erneut um Mithilfe, erkrankte oder verendete Vögel über ein Online-Formular zu melden und tote Tiere zur Untersuchung an das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg oder Veterinär-Untersuchungsämtern zu senden. Unter www.nabu.de/usutu-melden können Beobachtungen toter Vögel gemeldet werden. Dort findet sich auch eine Anleitung zum Verschicken toter Tiere.
Nach 2011 war zuletzt im vergangenen Jahr wieder ein auffälliges Amselsterben beobachtet worden. Dieser Ausbruch war mit einer deutlichen Arealausbreitung Richtung West- und Ostdeutschland verbunden, wobei parallel auch eine starke Viruszirkulation in Belgien und den Niederlanden beobachtet werden konnte. Die Region im Dreiländereck scheint auch dieses Jahr eine starke Aktivität des Usutu-Virus aufzuweisen, was sich in entsprechenden Meldungen und Einsendungen widerspiegelt. Seit Anfang Juli diesen Jahres häufen sich beim NABU wieder Meldungen kranker und kurze Zeit später verstorbener Amseln. Über 650 dieser Beobachtungen aus Deutschland sind bisher eingegangen.
Die meisten Meldungen kranker und toter Amseln stammen aus den bereits zuvor betroffenen wärmebegünstigten Regionen Deutschlands entlang des Rheintals sowie vom Untermain und Niederrhein. Inzwischen konnten Forscher des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin für einige dieser Fälle bestätigen, dass das Usutu-Virus tatsächlich die Todesursache ist. Auch die Umgebung von Kassel ist offenbar ein neues Verbreitungsgebiet des Virus. Der erste Nachweis für Niedersachsen kam in diesem Jahr aus der Region Hannover und auch in Bayern konnte das Virus zum ersten Mal in einem toten Vogel aus München festgestellt werden.
„Durch das Virus verursachte Todesfälle von Vögeln treten jeweils während der Stechmückensaison von Mai bis September auf. Infizierte Vögel wirken offensichtlich krank, apathisch, flüchten nicht mehr und sterben meist innerhalb weniger Tage. Fast immer sind es Amseln, bei denen diese Krankheit festgestellt wird, weshalb die Usutu-Epidemie auch als ‚Amselsterben‘ bekannt wurde“, sagt NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. Allerdings werden auch andere Vogelarten von diesem Virus befallen und können daran sterben. Die deutliche relative Häufigkeit der erkrankten Amseln lässt sich zum Teil durch deren absolute Häufigkeit und Nähe zum Menschen erklären, was die Wahrscheinlichkeit des Auffindens toter Amseln erhöht. Aber eine besondere Empfindlichkeit dieser Art gegenüber dem Virus ist ebenfalls möglich.
„Der Ausbruch dieses für Deutschland neuen Virus stellt eine einmalige Chance dar, die Ausbreitung und Folgen einer neuen Vogelkrankheit zu verfolgen und zu analysieren. Die wichtigste Datengrundlage dazu bilden Meldungen toter und kranker Amseln aus der Bevölkerung, sowie eingeschickte Proben toter Vögel, die auf das Virus untersucht werden können“, so Lachmann weiter. Der NABU arbeitet daher mit den BNI-Wissenschaftlern daran, die Ausbreitung des Virus und seine Auswirkungen auf unsere Vogelwelt zu dokumentieren und zu verstehen. Ziel ist es, neuartige Gefährdungsursachen für Vogelarten mit anderen Bedrohungen wie Klima- oder Landschaftswandel vergleichen und beurteilen zu können.
Hintergrund
Erstmals wurde das nach einem südafrikanischen Fluss benannte tropische Virus 2010 in Stechmücken in Deutschland nachgewiesen. In den Jahren 2011 und 2012 kam es dann zu einem großräumigen Ausbruch des Virus, welches ein Massensterben von Amseln in Südwestdeutschland verursachte. In den darauffolgenden Jahren konnte eine anhaltende Zirkulation des Virus in der Region festgestellt werden. Mit Hilfe einer Internet-Meldeaktion konnte der NABU den Verlauf des Ausbruchs 2011 gut dokumentieren und auswerten. Eine Auswertung der Daten aus den großen wissenschaftlichen Mitmach-Aktionen des NABU „Stunde der Wintervögel“ und „Stunde der Gartenvögel“, konnte nachweisen, dass die Amselbestände in den damals nachweislich vom Virus betroffenen 21 Postleitzahlengebieten zwischen 2011 und 2012 merklich zurückgegangen sind und somit bei einem bundesweiten Gesamtbestand von rund acht Millionen Brutpaaren möglicherweise 300.000 Amseln dem Virus zum Opfer gefallen sein könnten.
Der weitere Verlauf des Auftretens von Usutu-Erkrankungen lässt sich schwer vorhersagen. Die Vermehrung und Verbreitung der Viren hängt vor allem von der Witterung in den Sommermonaten ab: feuchtwarmes Wetter begünstigt die Verbreitung von Viren und Stechmücken, es sind vermehrt infizierte Vögel zu erwarten. Die Viren werden ausschließlich von infizierten Stechmücken übertragen, kranke und tote Vögel sind nicht ansteckend für andere Vögel, Haustiere oder Menschen. Es ist davon auszugehen, dass die Vögel in bekannten Ausbruchsgebieten zunehmend individuell erworbene Immunität gegen dieses neue Virus entwickeln. Das Virus wird sich somit vermutlich räumlich weiter ausbreiten, aber nicht jedes Jahr zu einem Massensterben wie im Jahr 2011 führen. Stattdessen ist zu erwarten, dass sich die Ausbrüche in den betroffenen Gebieten zyklisch wiederholen, sobald eine Generation von Amseln mit erworbener Immunität von der nächsten Amselgeneration abgelöst wird. |