„Gläserner Forstbetrieb“ soll Aufschluss über Artenvielfalt, Holzernte und Klimaresistenz im Wirtschaftswald geben
Der NABU und das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MLUL) haben in Zusammenarbeit mit zwei Forschungspartnern ein bundesweit einmaliges Forschungsprojekt gestartet. Mit dem „Gläsernen Forstbetrieb“ wollen sie über sechs Jahre erforschen, wie sich verschiedene Maßnahmen der Waldbewirtschaftung auf Ertrag, Stabilität und Naturschutz auswirken. Dazu stellen die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe und der Landesbetrieb Forst Brandenburg mehr als 1.000 Hektar Wald für Forschungszwecke zur Verfügung. Die beiden Gebiete liegen im nördlichen Brandenburg, in der Nähe von Gollin sowie am Wittwesee bei Rheinsberg.
„Diese enge Zusammenarbeit zwischen Forstverwaltung und Naturschutz ist bislang einmalig in Deutschland. Wir freuen uns, dass wir in dem Projekt von- und miteinander lernen können. Unser Ziel ist es, gemeinsame Empfehlungen für die naturnahe Bewirtschaftung von Wäldern im Nordostdeutschen Tiefland abzuleiten“, erklärte der brandenburgische Forstminister Jörg Vogelsänger.
Deutschlands Wälder befinden sich seit Langem in einem Wandel und Spannungsfeld der gesellschaftlichen Erwartungen. Standen in der Vergangenheit fast ausschließlich bereitstellende Funktionen – wie etwa Holzernte im Vordergrund, rückten zuletzt auch der Schutz des Bodens, der Erhalt der genetischen Vielfalt und in neuerer Zeit vermehrt die Suche nach Erholung-, Umweltbildung und Naturtourismus in den Fokus.
„Dieses Spannungsfeld stellt unsere Wälder vor enorme Herausforderungen, auch im Hinblick auf den Klimawandel. In Wirtschaftswäldern gilt es die verschiedenen Ansprüche unter einen Hut zu bringen. Der Fokus liegt dabei auf der Förderung der Naturnähe und der Stabilität der Wälder. Dieses Projekt ist daher ein wichtiger Schritt, um gemeinsam in bewirtschafteten Wäldern zu testen, wie die verschiedenen Waldbewirtschaftungsmaßnahmen langfristig wirken. Im Normalbetrieb wäre das nicht möglich“, so NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Bei den beiden Projektflächen handelt es sich um Kiefernwälder. Als Referenzflächen wurden aber auch alte, naturnahe Buchenwälder ausgewählt. Zur Messung der Auswirkungen der forstwirtschaftlichen Maßnahmen auf die Temperatur und Luftfeuchte werden so genannte Klimadaten-Logger zum Einsatz kommen. Die Forscher erhoffen sich dadurch Rückschlüsse darauf, welchen Einfluss beispielsweise die Holzernte oder Pflanzung von Laubbäumen auf das Waldinnenklima haben. Des Weiteren wird auch der Wildeinfluss von Rehen und Hirschen durch Verbiss erforscht. Ausgewählte, kleine Bereiche werden eingezäunt und so die jungen Bäume vor Verbiss geschützt. Geplant ist zudem, die Entwicklung der Vegetation systematisch zu beobachten. Die ökologische Auswertung übernimmt das Zentrum für Ökonik und Ökosystemmanagement der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.
„Monotone Kiefernforste sind anfälliger gegenüber den sich ändernden Umweltbedingungen und haben beispielsweise negative Auswirkungen auf die Grundwasserneubildung und den pH-Wert des Bodens. Im Projekt sollen gezielt naturnähere Strukturen durch die Förderung von Laubbäumen und die gezielte Anreicherung von Totholz gefördert werden. Totholz ist nicht nur ein wichtiger Ausgangspunkt für die Artenvielfalt im Wald, sondern es ist auch bedeutsam für die Bodenbildung. Es speichert zudem Wasser und kühlt – es unterstützt die Funktionstüchtigkeit des Waldökosystems. Das ist in Zeiten des Klimawandels besonders wichtig“, so Pierre Ibisch von der Hochschule Eberswalde.
Eine Ausgangsthese des Projektes ist, dass ein naturnahes Waldmanagement der Erhaltung und Entwicklung von vielfältigen Ökosystemleistungen dient, ohne die langfristige ökonomische Rentabilität von Forstbetrieben wesentlich zu beeinträchtigen.
„Ziel eines nachhaltig wirtschaftenden Forstbetriebs ist es, durch die Waldbewirtschaftung den wirtschaftlichen Erfolg, seine Liquidität und Stabilität zu sichern und gleichzeitig auf seinen Flächen die unterschiedlichen Ökosystemleistungen zu erbringen. Dabei ist es nicht möglich, einzelne Ökosystemleistungen zu maximieren, ohne andere Ökosystemleistungen zu beeinträchtigen“, so Bernhard Möhring, Georg-August-Universität Göttingen, der eine Promotionsarbeit betreut und seine ökonomische Expertise in das Projekt einbringt. |