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Agrarlobby will verfehlte Landwirtschaftspolitik nicht wahrhaben
Bauernverband soll klären, wessen Interessen er vertritt - Umweltprobleme in der Landwirtschaft nicht kleinreden

Mit Blick auf die laufende öffentliche Befragung zur EU-Agrarpolitik hat der NABU die Agrarlobby aufgefordert, sich nicht länger der Debatte um eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik zu verweigern. EU-Agrarkommissar Phil Hogan hat jüngst mit der öffentlichen Bürgerbefragung zur Zukunft der EU-Agrarpolitik nach 2020 eine Debatte angestoßen. Bundesumweltministerin Hendricks hatte sich für eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik ausgesprochen. Der Bauernverband sollte sich aus NABU-Sicht konstruktiv in die öffentliche Debatte einbringen und nicht länger reflexartig jede Kritik an einer verfehlten Landwirtschaftspolitik als Pauschalkritik und Attacken auf die Bauern darstellen. Werden, wie in der aktuellen Öffentlichkeitskampagne des Bundesumweltministeriums zu neuen Bauernregeln, einfache und völlig korrekte Fakten über Umweltprobleme in der Landwirtschaft kommuniziert, so heißt es aus dem Bauernverband ein „Berufsstand würde diffamiert“ oder es würde mit „pseudo-Wahrheiten“ operiert. Die Kampagne des Bundesumweltministeriums kritisiert vereinfachend und humorvoll ein System, das der NABU seit über 20 Jahren ebenfalls kritisiert.

„Die Äußerungen aus dem Deutschen Bauernverband und seiner Landesverbände in den vergangenen Wochen werfen die Frage auf, ob es hier nicht eher um die Interessen von Großkonzernen aus der Agrar- und Lebensmittelbranche geht, als um die von Bauernfamilien“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Es sei legitim für jeden Verband, für die eigenen Interessen einzutreten, und von einem Bauernverband könne auch nicht unbedingt erwartet werden, die Interessen der Steuerzahler und der gesamten Gesellschaft zu vertreten. Aber es müsse transparent zugehen. Aus NABU-Sicht verteidigt der DBV ein System, das nur wenigen nützt und die Krise in den meisten Betrieben nicht aufhält. In seiner Position zur Europäischen Agrarpolitik spricht sich der DBV vehement für die pauschalen Direktzahlungen, die sogenannte „Erste Säule“ aus. Diese macht den Großteil der fast 60 Milliarden aus, die jedes Jahr in die EU-Agrarförderung fließen. Klar ist: die allermeisten Gelder der Ersten Säule kommen nur bei wenigen Großbetrieben und Konzernen an, da sie pro Hektar und unabhängig von der Art der Wirtschaftsweise ausgezahlt werden (80 Prozent der Betriebe in der EU müssen sich 16 Prozent des Geldes teilen). Würden die Gelder stattdessen nur für konkrete Leistungen vergeben, zum Beispiel im Naturschutz, könnten viele Betriebe, gerade auf ungünstigen Standorten ihr Einkommen verbessern. Dies zeigt auch eine Studie des NABU vom vergangenen Jahr.

Der DBV erweckt darüber hinaus gern den Eindruck, dass die Förderungen auch nach 2020 in unveränderter Höhe und ohne Reformen erhalten bleiben. Bereits EU-Agrarkommissar Hogan hatte jüngst Kürzungen in Aussicht gestellt, schon alleine wegen des Brexit. Auch Bundesfinanzminister Schäuble hatte die hohen EU-Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik als nicht mehr zeitgemäß bezeichnet. Ohne eine drastische Reform droht die Agrarpolitik also gänzlich ihre Akzeptanz gerade bei den Finanzministern zu verlieren. Folge wäre ein massives Wegbrechen jeglicher Förderung für die Landwirte.

„Das heißt nichts anderes, als dass das krampfhafte Verteidigen des ‚Status quo‘, wie es der Bauernverband betreibt, für die Existenz gerade der Familienbetriebe sehr viel riskanter ist als die Reformvorschläge der Umweltverbände. Im Gegenteil: Diese wollen nämlich nach wie vor, dass Landwirte für ihre gesellschaftlichen Leistungen vom Steuerzahler honoriert werden“, so Miller. Der Bauernverband sollte klären, ob er tatsächlich die Interessen aller Bauernfamilien vertrete.

Die Forderungen nach einer Neuausrichtung der Agrarpolitik werden auch von der Mehrheit der Deutschen unterstützt, wie eine vom NABU in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa zeigt. Darin sprechen sich 78 Prozent der Befragten dafür aus, dass Landwirte Gelder nach ihrem Beitrag für die Gesellschaft erhalten sollten. Nur neun Prozent wollten eine Beibehaltung des derzeitigen Systems.
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Eintrag vom: 09.02.2017  




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