Tschimpke: Engagierter Kämpfer für naturnahe Wälder
Der NABU hat den Brandenburger Forstwissenschaftler Dietrich Mehl für seinen konsequenten und vorbildlichen Einsatz für den Naturschutz im Wald mit der NABU-Waldmedaille 2016 ausgezeichnet. Als Leiter der brandenburgischen Landeswaldoberförsterei Reiersdorf betreut Dietrich Mehl rund 21.500 Hektar Wald im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Dort setzt er sich dafür ein, wichtige Waldstrukturen für die Artenvielfalt zu erhalten und naturferne Forste zu naturnahen Laubmischwäldern zu entwickeln. Mit seiner Arbeit als Oberförster in Brandenburg und als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) Brandenburg zeigt er eindrucksvoll in der Praxis, wie Naturschutzmaßnahmen in den Wirtschaftswald integriert werden können.
„Dietrich Mehl ist ein Vorbild für Försterinnen und Förster, die Naturschutz und Wirtschaft im Wald umsetzen wollen. Als engagierter Kämpfer für naturnahe Wälder lebt er es vor, dass sich Waldwirtschaft und Naturschutz nicht ausschließen, sondern gemeinsame Ziele haben. Wir wollen Waldbesitzer und Bewirtschafter motivieren, sich in ähnlicher Weise zu engagieren und als Botschafter für nachhaltigen Waldnaturschutz Wege aufzuzeigen, um die Interessen von Forstwirtschaft und Naturschutz modern umzusetzen“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Die Auszeichnung wurde Dietrich Mehl am Freitag in Berlin bei einer Fest-Veranstaltung im Rahmen der Grünen Woche übergeben.
Dietrich Mehl setzt wissenschaftliche Erkenntnisse zum Waldnaturschutz effektiv in seinem Waldbewirtschaftungskonzept um. Zum Beispiel werden hunderte Jahre alte Baumriesen und Waldstrukturen, die viele Tieren und Pflanzen einen wichtigen Lebensraum bieten, erhalten und gefördert. So werden frühzeitig Biotopbäume ausgewiesen, die ihre natürlichen Alterungsprozesse ungestört durchlaufen können. Davon profitierten vor allem Insekten, Pilze und Flechten, die auf solche Strukturen mit hohem Totholzanteil angewiesen sind. Aber auch viele Vogelarten wie Spechte oder Eulen finden einen Platz für ihre Höhlen. Darüber hinaus werden gut sechs Prozent der Waldfläche seiner Oberförsterei forstwirtschaftlich nicht mehr genutzt und können sich so natürlich entwickeln. Für die Artenvielfalt sind unbewirtschaftete Wälder von besonderer Bedeutung. Nur hier kommen sogenannte Sonderstrukturen, wie Baumhöhlen, Ast-Abbrüche, Rinden-Abplatzungen, Stammrisse und Totholz, in großer Zahl vor.
Konsequenterweise ist der Wald der Landeswaldoberförsterei Reiersdorf nach dem FSC-Standard (Forest Stewardship Council) zertifiziert, einem international anerkannten Zertifikat für nachhaltige Forstwirtschaft, das auch vom NABU unterstützt wird. Dies geht auf den persönlichen Einsatz Dietrich Mehls zurück, denn sein Forstamt ist das einzige FSC-zertifizierte im Bundesland Brandenburg.
Auch über Brandenburg hinaus ist Dietrich Mehl ein engagierter Kämpfer für naturnahe Wälder. So hat er die sogenannte „Templiner Erklärung“ von 2009 mit initiiert, die bundesweit ausstrahlt und für mehr Naturschutz im Wald wirbt. Im Mittelpunkt steht dabei der forstliche Umgang mit alten Buchenwäldern bei gleichzeitigem Erreichen anspruchsvoller Naturschutzziele.
Den Umgang mit Massenvermehrungen von Insekten im Wald, die in der Forstwirtschaft oft mit Gift bekämpft werden, sieht Dietrich Mehl kritisch. Als 2014 großflächig Kiefernwälder in Brandenburg von einer Massenvermehrung des Kiefernspinners betroffen waren, sprach sich Mehl in seiner Funktion als ANW-Vorsitzender entgegen der allseits geforderten und durchgeführten Pestizideinsätze dafür aus, „die Krise als Chance zu sehen“. Naturferne Kiefern-Monokulturen, die eine solche Massenvermehrung begünstigen, sollen in naturnähere, artenreichere Wälder umgebaut werden. Damit stellte er sich gegen die offizielle Meinung des Landes Brandenburg und unterstützte stattdessen die Linie, die auch der NABU und viele andere Naturschützer vertreten. Für Mehl wär es anstatt des Gifteinsatzes ratsamer, jede Mischbaumart wie Birke und Buche zu erhalten und den Waldumbau durch eine zielgerichtet Jagd zu unterstützen, denn die Flächenwirkung der Verbissschäden durch Rehe und Hirsche habe auch finanziell in Brandenburg eine wesentliche größere Dimension als die oft lokal stattfinden Massenvermehrungen einzelner Insektenarten.
Unermüdlich zeigt sich Dietrich Mehl darin, den Dialog mit Jägern zu suchen und seine Erfahrungen weiterzugeben. „Bei dem Vorhaben, naturferne Nadelforste in Laubmischwälder umzubauen, machen besonders in Brandenburg Rehe und Hirsche oft alle Bemühungen zunichte, wenn sie die jungen Triebe der Laubbäume verbeißen. Angepasste Wildbestände sind daher eine Grundvoraussetzung für die natürliche Verjüngung der Wälder mit all ihren Baum- und Straucharten. Nur wenn Waldflächen und Wilddichten miteinander im Einklang sind, können sich Haupt- und Nebenbaumarten natürlich verjüngen“, so NABU-Waldexperte Stefan Adler. Der NABU empfiehlt allen, die ähnliche Wege in der Bewirtschaftung gehen wollen, einen Besuch in seiner Landeswaldoberförsterei. |