Beiräte des Bundeslandwirtschaftsministeriums mit guten Ansätzen bei Konsum und Landwirtschaft, Forstwirtschaft deutlich von Lobby diktiert
Bis 2050 wollen Deutschland und die EU rund 95 Prozent ihrer Treibhausgasemissionen einsparen. Welchen Beitrag dazu die Land- und Forstwirtschaft sowie die Bürger mit ihrem Lebensmittel-Konsum leisten können, stellten am heutigen Freitag zwei wissenschaftliche Beiräte des Bundeslandwirtschaftsministeriums vor. Insbesondere beim Konsum tierischer Lebensmittel und in der Landwirtschaft sieht der NABU positive Ansätze im Gutachten. In der Forstwirtschaft hingegen befürchten die Umweltschützer eine Rolle rückwärts.
„Wenn wir den Klimawandel noch stoppen wollen, brauchen wir kluge Veränderungen und ein Umdenken in allen gesellschaftlichen Bereichen. Neben einer naturverträglichen Energiewende und dem Umbau des Verkehrssektors müssen wir uns auch fragen, was wir künftig essen wollen, wie wir unsere Nahrungsmittel produzieren und wie wir mit unseren Wäldern, begrenzten Flächen und Ressourcen umgehen“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Für das Gutachten entwickelten die wissenschaftlichen Beiräte des Bundeslandwirtschaftsministeriums für Waldpolitik sowie Agrarpolitk, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz zwei Einspar-Szenarien. Je nachdem wie weitreichend einzelne Maßnahmen umgesetzt werden, könnten so zwischen 65 und 135 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden – etwa so viele Emissionen wie Portugal oder Tschechien pro Jahr ausstoßen. Die größten Einsparpotenziale sehen die Gutachter bei der Forstwirtschaft und Holzverwendung, gefolgt von der Landwirtschaft und dem Konsum von Lebensmitteln.
Der NABU begrüßt, dass die Gutachter insbesondere für die Landwirtschaft einige, nach Ansicht des NABU längst überfällige, Maßnahmen vorschlagen. So finden sich im Empfehlungspapier etwa eine Verschärfung des Düngerechts sowie eine Stickstoffabgabe. Zudem sollen Moore und das immer stärker abnehmende Grünland besser geschützt werden, auch eine Korrektur der Biokraftstoff-Politik wird vorgeschlagen. „Diese Maßnahmen sind aus Umwelt-, Naturschutz- und Klimasicht begrüßenswert und dringend notwendig. Denn der Agrarbereich muss dringend klimafreundlicher und naturverträglicher werden. Wenn Deutschland und die EU nicht gegensteuern, würde der Agrarsektor bis zum Jahr 2050 rund ein Drittel der Treibhausgase der EU ausstoßen – und zum echten klimapolitischen Sorgenkind werden“, sagte Miller.
Wie die Gutachter sieht auch der NABU im Schutz von Mooren und einer angepassten Nutzung von organischen Böden große Potenziale für den Klimaschutz. Kostengünstig und effektiv könnten so die hohen Emissionen aus Torfböden verringert und die biologische Vielfalt gleichzeitig erhalten werden. Der NABU plädiert daher für eine zügige Umsetzung von bundesweiten Moorschutzmaßnahmen. Auch das im Gutachten genannte Ziel, den Einsatz von Torf deutlich zu reduzieren, begrüßt der NABU. Aus Hobbygärten sollte der wertvolle Stoff möglichst bald komplett verschwinden. Für den Erwerbsgartenbau fordern die Naturschützer eine Ausstiegstrategie, die über einen festgelegten Zeitraum den Einsatz von Torfersatzstoffen mit steigenden Quoten festschreibt.
Ebenfalls positiv bewertet der NABU, dass die Gutachter die Reduktion des Konsums tierischer Produkte als wesentlichen Ansatzpunkt im Bereich Ernährung sehen. Mit der Abschaffung steuerlicher Vergünstigungen bringen die Gutachter auch sinnvolle finanzpolitische Maßnahmen ins Spiel. „Was im Gutachten allerdings gänzlich fehlt, ist ein Hinweis auf die Notwendigkeit, die Agrarsubventionen für die industrielle Landwirtschaft, einschließlich der Massentierhaltung, abzuschaffen. Auch die derzeitige Strategie der deutschen Agrarindustrie – möglichst viel Fleisch und Milch zu exportieren – muss ein Ende haben. Denn langfristig schadet diese Ausrichtung nur den Landwirten, der Natur und dem Klima“, so Miller.
Weniger positiv bewertet der NABU die Vorschläge der Gutachter zur Forstwirtschaft. Zwar finden sich hier einzelne Ideen, in denen Natur- und Klimaschutz konsequent zusammen gedacht werden, beispielsweise die Funktionen des Waldbodens stärker zu schützen und Au-, Bruch- und Moorwälder wiederzuvernässen. Auch, dass Holz künftig stärker wieder verwendet werden sollte, die Subventionierung von Energieholz zurückgefahren und neue Technologien entwickelt werden sollen, um Laubholz in langlebigen Produkten zu nutzen, begrüßt der NABU.
Doch im Wesentlichen zielen die Vorschläge darauf ab, den derzeit hohen Nadelholzanteil zu halten oder zu erhöhen. Die Gutachter empfehlen bis zu 70 Prozent Nadelhözer anzubauen, auch stärker aus nicht-heimischen Arten wie Douglasie, Küstentanne und Schwarzkiefer. „Hier wird die Handschrift der Forstlobby deutlich: Nadelhölzer ermöglichen höheren Profit. Doch mit Blick auf die biologische Vielfalt wäre eine solche Weichenstellung katastrophal. Die Erfolge im Waldnaturschutz der letzten Jahrzehnte würden zunichte gemacht“, sagte der NABU-Bundesgeschäftsführer.
Er mahnte an, solche Konflikte, in denen der Klimaschutz mit anderen Zielen – etwa dem Natur- und Artenschutz – kollidiert, von vornherein zu vermeiden. „Was für die Energiewende gilt, muss auch für die Land- und Forstwirtschaft gelten: Klima- und Naturschutz müssen konsequent zusammen gedacht werden“, so Miller. Für den Wald etwa fordert der NABU, dass bis 2020 fünf Prozent der deutschen Wälder dauerhaft ohne forstwirtschaftliche Nutzung sein sollen. Der Anteil an naturnahen und alten Laubwäldern müsse deutlich erhöht werden, um den nationalen und internationalen Verpflichten im Artenschutz nachzukommen. Mit Blick auf die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals) werden nach Ansicht des NABU künftig noch mehr solcher Gutachten, die zu einem Thema verschiedene Bereiche zusammendenken und gegeneinander abwägen, notwendig sein – idealerweise sogar ressortübergreifend. |