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Europa versagt beim Schutz der biologischen Vielfalt
Alarmierende Zwischenbilanz im Kampf gegen das Artensterben

Berlin/Brüssel - Der NABU und seine Partnerverbände des Netzwerkes BirdLife International haben den jetzt veröffentlichten Zwischenbericht der Europäischen Kommission zur Rettung der biologischen Vielfalt als alarmierendes Signal gewertet. Der Bericht zieht eine ernüchternde Zwischenbilanz der Umsetzung des im Mai 2006 verabschiedeten Aktionsplanes, mit dessen Umsetzung das Artensterben bis zum Jahr 2010 gestoppt werden soll. Dieses ambitionierte Ziel hatten die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten schon auf ihrem Gipfel in Göteborg 2001 beschlossen.

NABU-Präsident Olaf Tschimpke: „Der Bericht zeigt in erschreckender Deutlichkeit auf, wie wenig sich die Mitgliedstaaten und die Europäischen Institutionen bislang um die Erreichung der selbst gesteckten Ziele bemüht haben. Er ist ein Dokument des peinlichen Versagens im Bemühen um den Schutz unserer Lebensgrundlagen.“ Mit der EG-Vogelschutzrichtlinie, der FFH-Richtlinie und dem europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000 habe Europa hervorragende Instrumente zum Schutz von Tieren, Pflanzen und ihren Lebensräumen. Deren Umsetzung sei in vielen Mitgliedstaaten aber unzureichend. „Während in Südeuropa immer noch Millionen Zugvögel illegal getötet werden, gefährden Mitgliedstaaten wie Polen und Bulgarien die Schutzgebiete durch Autobahnen und andere Infrastrukturprojekte“, so Tschimpke. Außerhalb von Schutzgebieten leiden viele Arten immer noch unter der intensiven, hoch subventionierten Landwirtschaft. Auch der „ökologische Fußabdruck“ Europas in der Welt habe sich nicht verbessert. Die Zerstörung der tropischen Regenwälder für den Anbau von Agrotreibstoffen für Europa schreite fort, und die Überfischung der Weltmeere gefährde schon heute die Ernährung eines Sechstels der Weltbevölkerung.

Der NABU sieht hier eine Parallele zur aktuellen Finanzkrise und den auf dem EU-Gipfel gelockerten Klimaschutzzielen. „Wer nur auf kurzfristige wirtschaftliche Profite zielt, wird der Gesellschaft auf lange Sicht weitaus höhere Belastungen und Kosten aufbürden“, so Tschimpke. Offenbar hätten die Regierungen die Warnungen des Stern-Reports und des Sukhdev-Berichtes schon wieder vergessen, die beide überzeugend dargelegt hätten, dass die ökonomischen Folgen des Klimawandels und des Artensterbens die Menschheit wesentlich teurer zu stehen kommen als die erforderlichen Gegenmaßnahmen.

Der Kommissions-Bericht bestätigt auch erheblichen Nachholbedarf beim Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland. Bei der Meldung der Vogelschutzgebiete gibt es insbesondere in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz nach wie vor erhebliche Lücken, und in den FFH-Gebieten weisen im Bundesdurchschnitt nur etwa 25 Prozent der Lebensraumtypen und nur etwa 20 Prozent der untersuchten Arten einen günstigen Erhaltungszustand auf. Zudem verfügten laut Kommissionsbericht erst 14 Prozent aller deutschen Natura 2000-Gebiete über einen Managementplan. Neben der Vervollständigung der Gebietsmeldungen müssten die Länder daher endlich auch die noch ausstehenden Managementpläne erarbeiten und umsetzen sowie ausreichend Personal und Finanzmittel zur Verfügung stellen. „Dies würde nicht nur mehr Rechts- und Planungssicherheit für Landnutzer, Kommunen und Investoren bedeuten, sondern auch Planungsverfahren beschleunigen und Arbeitsplätze schaffen“, so Tschimpke.

In Deutschland sei dafür - gerade nach dem drohenden Scheitern des Umweltgesetzbuches - die zügige Umsetzung der nationalen Strategie zum Schutz der biologischen Vielfalt in den Ländern erforderlich. „Neunzig Prozent der Bürger Europas fordern von der Politik mehr Engagement für Umwelt und Artenvielfalt. Uns bleiben nur noch zwei Jahre, um das Ruder herumzureißen. Dies sollten unsere Politiker bedenken und unser Gemeinwohl nicht kurzfristigen wirtschaftlichen Zielen opfern“, so der NABU-Präsident auch mit Blick auf die Landtags-, Europa- und Bundestagswahlen im Jahr 2009.
 
Eintrag vom: 18.12.2008  




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