Seit 500 Tagen wird gängiges Recht in vielen deutschen Kommunen nicht umgesetzt / Millionen Tonnen Bioabfälle landen weiter im Restmüll
Auch 500 Tage nach dem Startschuss für die flächendeckende getrennte Bioabfallsammlung in ganz Deutschland kommen zahlreiche Landkreise und kreisfreie Städte ihrer gesetzlichen Pflicht gar nicht oder nur unzureichend nach, wie eine aktuelle NABU-Recherche zeigt. Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz müssen Bioabfälle spätestens ab dem 1. Januar 2015 getrennt gesammelt werden.
„De facto ignorieren noch immer knapp zehn Prozent der insgesamt über 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte die Vorgaben aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz komplett, indem sie bislang keine Getrenntsammlung anbieten. Weitere zehn Prozent sammeln nicht flächendeckend oder mit verbraucherunfreundlichen Bringsystemen ohne Biotonne“, fasst NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller die Ergebnisse zusammen.
Auf Nachfrage des NABU bei den betroffenen Landkreisen und kreisfreien Städten, warum keine Biotonne eingeführt wurde, verweisen viele darauf, dass das Kreislaufwirtschaftsgesetz zur Sammlung der Bioabfälle nicht explizit die Biotonne vorschreibt. Studien belegen jedoch, dass der meiste Bioabfall dann erfasst wird, wenn Speise- und Küchenabfälle bequem in der Abhol-Biotonne entsorgt werden können.
„Wer Bürgerinnen und Bürgern gar kein Trennsystem anbietet oder von ihnen verlangt, Biomüll mit dem eigenen Pkw kilometerweit durch den Landkreis bis zum nächsten Wertstoffhof zu fahren, nimmt bewusst in Kauf, dass weiterhin jährlich mehrere Millionen Tonnen kostbarer Bioabfälle im Restmüll entsorgt werden, also sprichwörtlich in Rauch aufgehen. Eine effiziente Verwertung von Bioabfällen beginnt mit dem verbraucherfreundlichsten Erfassungssystem: der Biotonne“, so Miller.
Weiter rechtfertigten die Landkreise und kreisfreien Städte ihre Untätigkeit auf Nachfrage des NABU mit finanziellen Argumenten. So sind viele Kommunen noch über Jahre vertraglich an Müllverbrennungsanlagen oder mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlagen gebunden. „In Anbetracht der vertraglichen Verpflichtungen stellt die Einrichtung eines Bringsystems für Bioabfälle nicht mehr als ein Feigenblatt dar, mit dem sich die Verantwortlichen vor weiteren rechtlichen Konsequenzen schützen wollen. Auch das oft von den Kommunen vorgebrachte Argument, Bürgerinnen und Bürger nutzten den Bioabfall auf dem Komposthaufen im eigenen Garten hat erst dann Berechtigung, wenn sie richtig kompostieren und den Kompost anschließend tatsächlich im eigenen Garten verwerten“, so Miller. „Untersuchungen zeigen aber, dass der Organikanteil im Restmüll auch in Regionen mit vielen Eigenkompostierern teilweise mehr als die Hälfte ausmacht, weil viele Speisereste nicht auf den Komposthaufen dürfen.“
Der NABU hat auch die zuständigen Mittelbehörden in den Bundesländern befragt. Oftmals ist bekannt, dass die Landkreise und kreisfreien Städte geltendes Recht ignorieren oder lediglich Alibi-Lösungen anbieten. Der NABU fordert, dass bestehendes Recht endlich konsequent durchgesetzt und in letzter Konsequenz auch mit einer so genannten Ersatzvornahme verwirklicht wird. Hierbei würde durch eine übergeordnete Stelle eine entsprechende Abfallsatzung mit Getrenntsammlung von Biomüll auf Kosten der Kommune erlassen werden.
„Speise- und Küchenabfälle sind viel zu schade für die Müllverbrennung. Die organischen Abfälle können im Rahmen einer Kaskadennutzung zunächst in Biogasanlagen vergärt und energetisch genutzt und anschließend aus den festen und flüssigen Gärresten Kompost gewonnen werden. Vor dem Hintergrund, dass eine hochwertige Bioabfallverwertung Mensch, Umwelt und Klima schützt und unseren hoch beanspruchten Böden gut tut, ist der Dornröschenschlaf der Kommunen und in manchen Fällen der aufsichtsberechtigten Behörden noch unverständlicher“, so NABU-Abfallexperte Sascha Roth. |