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Dr. Michael Sladek stellt „kommunalfreundlichen Entwurf“ vor
Schönau / Titisee-Neustadt. Bei einer Pressekonferenz im Rathaus der Stadt TitiseeNeustadt
stellte Dr. Michael Sladek von der EWS Schönau zusammen mit dem
Bürgermeister der Stadt Titisee-Neustadt, Armin Hinterseh, seine Stellungnahme zum
Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft zur Neufassung der §§ 46
ff. des Energiewirtschaftsgesetzes über die Vergabe von Netz-Konzessionen sowie
einen eigenen „Kommunalfreundlichen Entwurf“ zu dieser Neufassung vor.

Bei der Neuvergabe von Konzessionen für Strom- und Gasnetze durch die Kommunen ist es
aufgrund von Rechtsunsicherheiten praktisch zum Stillstand gekommen. Während über
Jahrzehnte alleine die gewählten Vertreter der Kommunen über die Konzessionsvergaben
entschieden hatten, verschärften Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt im Jahr 2010 –
nach einer Rekommunalisierungswelle in den vorangegangenen Jahren – durch ihren
„Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessionen“ die Vorschriften für den
Wettbewerb. Dies mit dem Ergebnis, dass es für die Kommunen praktisch unmöglich
geworden ist, einen Konzessionswechsel gegen den Willen des bisherigen Netzbetreibers
herbeizuführen, ohne vor einem Gericht zu landen. Mit der Begründung, einen
diskriminierungsfreien Wettbewerb zu gewährleisten, wurde von Bundesnetzagentur und
Bundeskartellamt am Parlament vorbei ein „kartellrechtliches Regime“ geschaffen, das die
jeweiligen Alt-Konzessionäre in den Kommunen bevorzugt und eine abweichende
Konzessions-Neuvergabe praktisch unmöglich macht. Zur Behebung dieser Missstände
wurde im Koalitionsvertrag der die Bundesregierung tragenden Parteien festgeschrieben,
durch eine Neufassung der §§ 46 ff. des Energiewirtschaftsgesetzes Rechtssicherheit zu
schaffen. Zu diesem Zweck wurde im Dezember 2015 ein Referentenentwurf des BundesWirtschafts-Ministeriums
vorgelegt, der diese Forderung erfüllen soll.

In seiner Stellungnahme zu diesem Referentenentwurf stellte Rechtsanwalt Prof. Dr. Dominik
Kupfer fest: „Unbeschadet der Auswertung weiterer – durchaus positiv zu bewertender -
Ansätze der Novellierung steht damit im Ergebnis bereits fest, dass der Entwurf zu kurz greift
und das im Koalitionsvertrag gesetzte Ziel, Rechtssicherheit zu schaffen, klar und sicher
verfehlt.“ Vielmehr werde das durch das „kartellrechtliche Regime“ verursachte Richterrecht
fortgeschrieben und damit die gemeindliche Selbstverwaltung in dieser Frage weiter
beschnitten.

Ãœber die Kritik am vorliegenden Referentenentwurf hinaus legte Dr. Michael Sladek einen
eigenen „Kommunalfreundlichen Entwurf zur Neufassung der§§ 46 ff. EnWG“ vor. „Dieser
neue Entwurf bestätigt die Rechtsanwendung, wie sie bis etwa 2010 gang und gäbe war,
passt das Recht der Konzessionsvergabe an das neue Vergaberecht sowie an die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes an“, erläuterte Dr. Sladek bei der
Präsentation.

Die Kernpunkte des „Kommunalfreundlichen Entwurfs“ fasste Dr. Michael Sladek wie folgt
zusammenfassen.

Spätestens alle 20 Jahre hat jede Gemeinde zu prüfen, wie der Betrieb ihres örtlichen Stromund
Gasversorgungsnetzes künftig ausgestaltet sein soll. Die Gemeinde hat zu entscheiden,
ob
- sie den Netzbetrieb in die eigenen Hände nimmt,
- ein Kooperationsunternehmen mit einem strategischen Partner-EVU gründen und
konzessionieren möchte oder
- ob sie ein drittes EVU mit dem Netzbetrieb betraut.
- Diese Entscheidung hat die Gemeinde auch dann alle 20 Jahre zu treffen, wenn
sie den Netzbetrieb selbst durchführt (Pflicht zur Reflexion und politischen
Diskussion).

Entscheidet sich eine Gemeinde den Netzbetrieb selbst durchzuführen, so hat sie diese
Entscheidung und die maßgeblichen Gründe hierfür öffentlich bekannt zu machen. Die
Gemeinde ist aber nicht verpflichtet, zuvor einen Wettbewerb um das Netz nach
kartellrechtlich determinierten Kriterien durchzuführen. Es genügt eine rational begründete
Entscheidung der Gemeinde nach vorheriger Bekanntmachung und Durchführung eines
Interessensbekundungsverfahrens. Die Gemeinde hat das Recht zur direkten Erledigung des
örtlichen Netzbetriebs.

Entscheidet sich die Gemeinde, gemeinsam mit einem oder mehreren Partner-EVU(en) eine
kommunale Beteiligungsgesellschaft zu gründen, so genügt es, wenn die Gemeinde die
gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der zu gründenden Gesellschaft ausschreibt. Die
Konzession muss dann nicht gesondert ausgeschrieben werden. Dies entspricht der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes.

Entscheidet sich die Gemeinde, ein drittes EVU mit dem Netzbetrieb zu betrauen, schreibt
sie die Konzession aus. Maßgeblich für die Ausschreibung sind – unter Beachtung weniger
spezialgesetzlicher Regelungen im künftigen EnWG – die Vorgaben des neuen
Vergaberechts (4. Teil des GWB und Konzessionsvergabeverordnung). Hierdurch kann auf
ein ausgefeiltes und europarechtskonformes Rechtssystem zurückgegriffen werden.

Möglich wurde dieser Gesetzesvorschlag erst durch das Engagement der EWS Schönau in
der Energieversorgung TitiseeNeustadt (Ev-TN). In dieser Kooperation hatte sich Dr. Sladek
bei der Vorbereitung der in Karlsruhe anhängigen Kommunalverfassungsbeschwerde der
Stadt intensiv mit diesen schwierigen Fragen auseinandergesetzt.

„Im Augenblick erfahren wir zwar vielfältige ideelle Unterstützung bei unserer Stellungnahme
zum Referentenentwurf und zum ‚Kommunalfreundlichen Entwurf‘, in der Sache stehen aber
EWS Schönau und die Stadt Titisee-Neustadt alleine da, bestätigte Dr. Michael Sladek. „Da
derzeit viele deutsche Städte und Kommunen vor der aktuellen Frage stehen, wie sie sich
bei einer anstehenden Neuvergabe ihrer Strom- oder Gasnetzkonzession verhalten sollen,
ohne vor Gericht zu landen, erhoffen wir uns eine breite Unterstützung bei unserem Versuch,
das kartellrechtliche Regime abzuschaffen und die Vergaberichtlinien für Energienetze
wieder auf rechtssichere Füße zu stellen“, betonte Dr. Michael Sladek bei der
Pressekonferenz.

Der jetzt vorgelegte Entwurf ist zwar entstanden aus der intensiven Beschäftigung mit der
grundsätzlichen Problematik, wie sie im Fall der Energieversorgung Titisee-Neustadt sichtbar
geworden ist, aber er leistet einen konstruktiven Beitrag zur Lösung eines bundesweit
bestehenden Problems, das zahlreiche Städte und Kommunen in ihrer Handlungsfähigkeit
einschränkt und sie hindert, für ihre Bürger eine verantwortliche Lösung der Energieversorgung
der Zukunft zu verwirklichen, stellte Dr. Sladek klar. „Unsere Kommunalverfassungsbeschwerde
sowie der ‚Kommunalfreundliche Entwurf‘ sind Maßnahmen von verantwortungsbewussten
Bürgern, die sich im Förderverein für umweltfreundliche Stromverteilung
und Energieerzeugung e.V. (FuSS) in Schönau zusammengeschlossen haben, und die eine
Verbesserung für alle Städte und Kommunen und somit für alle Bürger erreichen wollen“,
führte Dr. Michael Sladek aus.

Die „Stellungnahme zum Referentenentwurf“ und der „Kommunalfreundliche Entwurf zur
Neufassung“ können von der Internetseite der EWS Schönau unter www.ews-schoenau.de
heruntergeladen werden.
 
Eintrag vom: 10.03.2016  




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