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NABU: Kiebitz ist auf Schutz durch EU-Richtlinien angewiesen
„Fitness-Check“ darf nicht zum Naturschutz-Abbau führen

Berlin/Bergenhusen/Hannover – Die Naturschutzgesetzgebung der EU soll auf den Prüfstand: Bis zum 24. Juli haben alle Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedstaaten die Gelegenheit, sich zur Bedeutung und zu einer möglichen „Modernisierung" der zwei wichtigsten EU-Gesetze für den Natur- und Artenschutz zu äußern: der Fauna-Flora-Habitat- (FFH-) -und der Vogelschutzrichtlinie. Mit der Aktion „Naturschätze retten“ stellt der NABU jede Woche unter www.NABU.de/naturschaetze ein Gebiet, eine Art oder einen Lebensraum vor, die vom Schutz der EU profitieren oder ohne diesen verloren gehen könnten.

Der Kiebitz zählt in Deutschland zu den stark gefährdeten Vogelarten. In der Folge sind für den bedrohten Zugvogel besondere Schutzgebiete nach der EU-Vogelschutzrichtlinie ausgewiesen worden. Von diesen EU-Vogelschutzgebieten hat der Kiebitz profitiert. Auch die Jagd auf Kiebitze wurde mit der EU-Vogelschutzrichtlinie eingeschränkt. Allerdings ist sie in einigen Mitgliedsstaaten, zum Beispiel in Frankreich, immer noch zulässig.

Trotz des Schutzes durch die EU-Richtlinien hat sich der Brutbestand des Kiebitzes in Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren halbiert. „Ohne die EU-Vogelschutzrichtlinie würde es um den Kiebitz in Deutschland noch schlechter stehen“, sagte Hermann Hötker, Leiter des Michael-Otto-Instituts im NABU. Ein Grund für die starke Abnahme liege im unzureichenden Management vieler EU-Vogelschutzgebiete durch die Landesregierungen.

Beispiele für ein gelungenes Management von Kiebitz-Brutgebieten finden sich in Schleswig-Holstein. Im EU-Vogelschutzgebiet „Eider-Treene-Sorge-Niederung“ konnte der Kiebitzbestand durch gezielte Schutzmaßnahmen in Kooperation mit Landwirten stabilisiert werden. Im Naturschutzgebiet Beltringharder Koog an der Nordseeküste, das ebenfalls Teil des europaweiten Netzwerks von Vogelschutzgebieten ist, hat sich der Kiebitzbestand sogar auf zeitweise mehr als 800 Paare erhöht.

Ein weiteres positives Beispiel sei in diesem Zusammenhang das EU-Vogelschutzgebiet „Dümmer“ in Niedersachsen, so NABU-Landesvorsitzender Niedersachsen Holger Buschmann. In diesem Schutzgebiet seien bisher mehr als 40 Millionen Euro aus Mitteln des EU-Life-Programms für die Wiederherstellung von Feuchtwiesen und andere Schutzmaßnahmen eingesetzt worden, von denen bedrohte Wiesenvögel wie der Kiebitz stark profitiert hätten. Der Kiebitzbestand hat sich in der Folge von nur noch 20 Paaren im Jahr 1998 inzwischen wieder in etwa verzehnfacht. Insgesamt leben 41 Prozent des nationalen Kiebitzbestandes in Niedersachsen.

„Auf diesen Erfolgen darf man sich nicht ausruhen. Denn trotz dieser positiven Nachricht besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf“, so Buschmann weiter. Durch Grünlandumbruch, intensive Landwirtschaft sowie Entwässerung von Feuchtwiesen werden den Kiebitzen mögliche Lebensräume unwiederbringlich entzogen. Eine Abschwächung der Naturschutzrichtlinien könnte den Komplettverlust der Art in unserer Kulturlandschaft bedeuten. Einer der am meisten gefährdeten Lebensräume für den Kiebitz stellt die 10.500 Hektar große Leda-Jümme-Niederung im Landkreis Leer dar. Zwischen den Jahren 2004 bis 2011 hat sich der Bestand von 330 auf 271 Brutpaare um 18 Prozent reduziert. „Dies sind alarmierende Zahlen. Trotzdem fallen weiterhin wertvolle Habitate dem Maisanbau zum Opfer“, so Buschmann. Eine Ausweisung als Vogelschutzgebiet, wie sie vom Land Niedersachsen nun angedacht wird, könne dazu beitragen, die Landnutzung in der Niederung naturverträglicher zu gestalten.

Der Kiebitz zählte noch vor wenigen Jahren zu den weit verbreiteten Vogelarten auf Wiesen und Feldern in ganz Deutschland. Hauptgrund für den Rückgang des Kiebitzes innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten ist die Intensivierung der Landwirtschaft. Über Jahrzehnte wurden Bruthabitate im Grünland durch Trockenlegung zerstört oder in Äcker umgewandelt. Durch die zeitliche Überschneidung von Brutzeit und Grünland-Bewirtschaftung gingen immer wieder Gelege und Küken verloren. Auch Äcker sind oft keine Alternative. Sie bieten Küken oft nicht genug Nahrung. Auf Maisäckern, die inzwischen häufig von Kiebitzen als Brutplatz genutzt werden, sind die Gelege zudem häufig Opfer der Bewirtschaftung.

Der NABU hat deshalb bundesweit mit Partnern ein Förderprojekt im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt gestartet: Auf „Kiebitzinseln“, kleinflächigen Brachen auf Äckern und im Intensivgrünland, sollen die Vögel etwa in Ruhe brüten können. Im Projekt werden auch andere Maßnahmen für den Gelege- und Kükenschutz erprobt, so etwa im Landkreis Osnabrück und im Raum Braunschweig. Das Projekt wird gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums, des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums und der Hanns R. Neumann Stiftung.
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Eintrag vom: 25.06.2015  




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