EU-Fitness-Check darf nicht zum Naturschutz-Abbau führen
Die Naturschutzgesetzgebung der EU soll auf den Prüfstand. Bis zum 24. Juli haben alle Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedstaaten die Gelegenheit, sich zur Bedeutung und zu einer möglichen „Modernisierung“ der zwei wichtigsten EU-Gesetze für den Natur- und Artenschutz zu äußern. Es gilt die Erfolgsgeschichte der EU-Vogelschutz- und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie fortzuschreiben und die geplanten Lockerungen zu verhindern. Mit der Aktion „Naturschätze retten“ stellt der NABU unter www.NABU.de/naturschaetze jede Woche ein Gebiet, eine Art oder einen Lebensraum vor, die vom Schutz der EU profitieren. Diese Woche: das Tegeler Fließtal in Berlin.
Unter dem Schutz der EU hat sich das Tegeler Fließtal in Berlin zum „Naturschatz“ entwickelt. Das Natura-2000-Gebiet umfasst das Landschaftsschutzgebiet Tegeler Fließ, das Naturschutzgebiet Kalktuffgelände und das Naturschutzgebiet Niedermoorwiesen. Das Fließ mündet in den Tegeler See mit direktem Anschluss zur Havel. Seine Ufer sind in weiten Teilen durch eine vielfältige Bachauenlandschaft geprägt, die sich mit ausgedehnten Wiesen, Erlenbruch und Grauweidengebüschen abwechselt. Das Fließtal bietet somit auf seiner Länge von fast 15 Kilometern Pracht-Nelke und Fieberklee genauso wie Sperbergrasmücke und Fischotter Lebensraum. Es kommen elf von den 13 für Berlin nachgewiesenen Amphibien- und Reptilienarten hier vor.
Der Zustand des Gebietes wird dank verschiedener Maßnahmen kontinuierlich verbessert beziehungsweise auf seinem hohen Standard gehalten. Zurzeit wird an der Durchgängigkeit des Fließes mittels Fischtreppen und dem Rückbau von Sohlschwellen gearbeitet. Die aus Holz oder Beton bestehenden Schwellen wurden quer zum Wasserverlauf in den Fluss gebaut, um die Fließgeschwindigkeit zu verringern. Auch die verschiedenen Feuchtwiesentypen benötigen viel Pflege durch extensive Mahd und Beweidung. Die NABU-Bezirksgruppe Reinickendorf macht seit vielen Jahren Werbung für die Natur vor Ort und engagiert sich im Einsatz gegen Neophyten (gebietsfremde Pflanzenarten) wie Springkraut oder Kamtschatka-Knöterich.
„Es ist fraglich, ob ohne die Richtlinien aus Brüssel Deutschland bzw. das Land Berlin seit 1992 so große Anstrengungen unternommen hätte, um alleine in Berlin 16 Schutzgebiete dieser Qualität auszuweisen“, sagt Anja Sorges, Geschäftsführerin des NABU Berlin. „Dabei haben sich die Mühen gelohnt: die Berliner Bürger wissen Gebiete, wie das Tegeler Fließtal als Natur- und Naherholungsräume direkt vor ihrer Haustüre genauso zu schätzen, wie Kranich, Biber und Wachtelkönig.
Mit Blick auf die EU-Bürgerbefragung zum „Fitness-Check“ möchte der NABU zahlreiche Menschen dazu bewegen, sich für starke Naturschutzgesetze in der Europäischen Union auszusprechen. Einige Regierungen und Wirtschaftslobbyisten verlangen bereits die Abschwächung der FFH- und Vogelschutzrichtlinie. Der Schutz von alleine in Deutschland über 5.000 Natura-2000-Gebieten könnte damit geschwächt werden. Die Jagd auf Zugvögel und Wölfe, der Schutz von Fledermäusen, Bibern und Buchenwäldern stünde wieder zur Debatte.
Der NABU fordert nicht nur den Erhalt der genannten Richtlinien, sondern auch eine konsequente Durchsetzung und Finanzierung der geltenden Naturschutzstandards. |