Regierung muss umdenken – EU-Beihilfeverfahren erhöht den Druck
Die EU hat heute ein Beihilfeverfahren eröffnet, um die Unternehmensprivilegien bei der Ökostrom-Umlage zu prüfen. Damit steigt der Druck auf die neue Bundesregierung, die Energiewende zu reformieren. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher sehen die bisherigen Pläne der Großen Koalition rund um die Energiewende skeptisch. Eine Mehrheit von 59 Prozent bezweifelt, dass es der neuen Regierung gelingen wird, die Energiewende erfolgreich und bezahlbar fortzuführen. Das zeigt eine vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid.
„Die große Koalition ist eine Chance, um große gesellschaftliche Aufgaben zu meistern. Eine bezahlbare Energiewende gehört dazu. Doch noch stehen die Zeichen nicht auf Entlastung der Verbraucher“, sagt Holger Krawinkel, Bereichsleiter Verbraucherpolitik und Energieexperte beim vzbv. Und auch nur 39 Prozent der Befragten glauben, dass die Große Koalition ihr Versprechen halten kann, den Kostenanstieg bei der Energiewende spürbar zu bremsen. Die neue Regierung ist daher aus Sicht des vzbv gut beraten, das EU-Beihilfeverfahren sowie die EU-Leitlinien zur Förderung der erneuerbaren Energie als wichtigen Anstoß anzunehmen
Offshore-Ausbauziele reduzieren
Ein Problem ist vor allem die Verlängerung des Stauchungsmodells für Offshore-Windenergie um zwei weitere Jahre. Es ermöglicht Anlagenbetreibern, statt der üblichen Vergütung von 15 Cent pro Kilowattstunde über zwölf Jahre auch 19 Cent über acht Jahre zu erhalten. Eine Verlängerung dieses Modells treibt die Kosten der Energiewende weiter in die Höhe. Auf Verbraucher kommen jährliche Offshore-Kosten von rund 75 Euro zu. Die EEG-Umlage könnte nach aktuellen Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in den nächsten vier Jahren sogar auf 8,1 Cent pro Kilowattstunde ansteigen.
Holger Krawinkel: „Das Ziel, die Strompreise stabil zu halten und Verbraucher vor den steigenden Kosten des Ökostrom-Ausbaus zu schützen, wird damit deutlich verfehlt.“ Die Offshore-Ausbauziele und das Ausbautempo müssten deshalb spürbar reduziert werden. Die Technologieentwicklungskosten dürften ohnehin nicht dem Stromverbraucher angelastet werden, sondern müssten aus dem Haushalt bezahlt werden, etwa durch die Einrichtung eines Altlastentilgungsfonds. Außerdem sollte der Fördermechanismus der erneuerbaren Energien mittelfristig auf technologieneutrale Ausschreibungsmodelle umgestellt werden, wie sie auch von der EU gefordert werden. Die Vergütungssätze würden auf diese Weise im Wettbewerb ermittelt. Der vzbv fordert zudem, dass entsprechende Pilotprojekte in größerer Zahl und früher als von der Koalition geplant durchgeführt werden müssten.
Industriebefreiungen überprüfen
Schließlich müssten auch die Industriebefreiungen auf den Prüfstand. Hier bleibe der Koalitionsvertrag zu unkonkret: „Es wäre wünschenswert gewesen, dass die Industrieausnahmen reduziert und die privilegierten Unternehmen stärker an den Kosten beteiligt werden“, sagt Krawinkel. Auch hier spreche die EU-Kommission eine deutlichere Sprache. Offenbar brauche die Regierung diesen Druck aus Brüssel.
Kein Zwang zum intelligenten Stromzähler
Was die geplante Umstellung auf intelligente Stromzähler beziehungsweise Strommesssysteme betrifft, darf es aus vzbv-Sicht keinen Zwangs-Rollout geben auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher geben. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass drei Viertel der Befragten (76 Prozent) einen solchen Zwang zum Austausch der Zähler ablehnen. Denn er wäre mit Zusatzkosten von bis zu 170 Euro im Jahr verbunden – mit kaum erkennbaren Nutzen.
Die digitalen Stromzähler, auch Smart Meter genannt, sollten stattdessen marktbasiert eingeführt werden. Immerhin zeigt die Umfrage, dass mindestens 20 Prozent der Verbraucher bereit wären, für Smart-Metering-Systeme zu zahlen. |