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Fairer Handel: Vorsicht vor unfairen Geschäften
Der faire Handel wächst rasant. Das lockt Geschäftemacher. ÖKO-TEST hat recherchiert und viele „unfaire“ Siegel entlarvt. Es gibt aber auch Siegel, denen Verbraucher vertrauen können.

Fair ist schwer im Kommen. Eine verwirrende Vielfalt von Siegeln pappt auf Lebensmitteln, Kleidung und sogar auf Pflastersteinen. Damit gibt es ganz unterschiedliche Standards und Zertifizierungssysteme, die Fairness belegen sollen. ÖKO-TEST hat bei der Untersuchung vier wichtigsten Kriterien zugrunde gelegt - zwei, die für Produzenten, und zwei, die für Arbeiter unverzichtbar sind. Faire Label und Auslobungen sollten erstens dafür sorgen, dass die Produzenten einen garantierten Mindestpreis für ihre Produkte bekommen. So sind sie nicht abhängig von den Preisschwankungen und der Spekulation auf dem Weltmarkt. Der Mindestpreis soll die Produktions- und die Lebenshaltungskosten decken, sprich: Er liegt in der Regel über dem Weltmarktpreis. Zweitens muss die Vorfinanzierung der Produktion gesichert sein. Die Abnehmer müssen sich also verpflichten, auf Anforderung einen Teil des Kaufpreises vor der Lieferung der Ware zu bezahlen. Das soll verhindern, dass sich Kleinbauern und Kooperativen, die nicht genügend Geld zur Finanzierung der Produktionskosten haben, zu Wucherzinsen Geld leihen müssen. Drittens müssen die Vergabebedingungen eines Siegels verbindlich festlegen, dass die Arbeiter auf Bananenplantagen oder die Näherinnen in Kleiderfabriken zumindest den gesetzlich festgelegten Mindestlohn erhalten. Außerdem muss ein Siegel die Einhaltung aller Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vorschreiben. Dazu gehört beispielsweise das Verbot von Kinder- und Sklavenarbeit. Auch das scheint selbstverständlich, ist es aber genauso wenig wie die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns.

ÖKO-TEST hat im Rahmen des Tests 72 Importprodukte sowie sieben Milchsorten eingekauft. Es zeigte sich, dass nur bei 50 der 79 Produkte die Vergabebedingungen der Siegel und Auslobungen alle vier grundlegenden Anforderungen erfüllen. Denn anders als im Bio-Bereich, wo es durch die EU-Öko-Verordnung und das EU-Bio-Siegel Mindeststandards gibt, die alle Bio-Produkte erfüllen müssen, legt für faire Produkte jedes Label die Kriterien nach eigenem Gusto fest.

Von den 34 Kaffeesorten im Test stufte ÖKO-TEST 18 als fair ein. Die höchsten Standards bieten etwa die Labels Fairtrade sowie Gepa. Nicht überzeugen konnten Kaffees mit den Labeln Rainforest Alliance Certified und UTZ Certified. Beide machen zwar Vorgaben für soziale und ökologische Kriterien, die zum Teil über gesetzliche Mindestanforderungen hinausgehen. Sie garantieren aber keine Mindestpreise und die Vorfinanzierung ist nicht Teil der Vergabebedingungen. Der Verhaltenskodex 4C (Common Code of the Coffee Community) ist eher ein Marketinginstrument und bekommt nicht nur von ÖKO-TEST eine schlechte Einstufung. In einer Stellungnahme zur Einführung im Jahr 2007 kritisierten die Fair-Handelshäuser Gepa, dwp und El Puente, 4C werde als "die nachhaltige Lösung für Mainstream-Kaffee gepriesen". Der Standard "auf niedrigem Niveau" diene als "wertvolles Marketinginstrument der Kaffeekonzerne", es bestehe die "Gefahr der Irreführung", weil Kunden den Unterschied zwischen 4C- und wirklich fair gehandeltem Kaffee nur schwer nachvollziehen könnten.

An den Kleidungsstücken baumeln viele selbst gebastelte Label. Die Produkte sind allerdings vor allem deshalb schwer zu beurteilen, weil kein firmenübergreifendes Siegel sowohl die Erzeugung der Rohstoffe wie die Produktion der Kleidung umfasst. Die Fair Wear Foundation steht für die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken, Cotton made in Africa für den Baumwollanbau. Fairtrade Certified Cotton ist ebenfalls hauptsächlich ein Label für den Baumwollanbau, berücksichtigt aber zusätzlich Aspekte der Verarbeitung in den Textilfabriken. So müssen alle Kernarbeitsnormen beachtet und wenigstens der gesetzliche Mindestlohn bezahlt werden. Die Kontrolle, ob das tatsächlich passiert, überlässt Fairtrade aber anderen. Bei der Kontrolle der Textilfabriken geht die Fair Wear Foundation weiter als andere Label und prüft beispielsweise, ob die Näherinnen von den gezahlten Löhnen tatsächlich leben können. Das ist bei den gesetzlichen Mindestlöhnen nämlich teilweise nicht der Fall. Trotzdem ist das T-Shirt von Hemp Age nur "teilweise fair". Die Firma hat keinen zusätzlichen Nachweis über die faire Rohstofferzeugung geliefert. Der wäre für ein "fair" aber nötig gewesen. Denn die Rohstofferzeugung wird für das Fair-Wear-Foundation-Label nicht geprüft.

Faire Kosmetik - eine Nische in der Nische: Im (Natur-)Kosmetikmarkt spielt der faire Handel bislang kaum eine Rolle. Auch wenn große Hersteller wie Weleda auf firmeneigene Projekte verweisen, hat ÖKO-TEST kein einziges Produkt mit dem Fairtradesiegel gefunden.

Die sieben Weine im Test haben von ÖKO-TEST das Gesamturteil "fair". Sie sind mit Fairtrade, Fair for Life, Gepa - Wir handeln grundsätzlich fair gelabelt. Auf dem Etikett des Cuvée du Président steht lediglich Import El Puente GmbH. Für die Firma ist ihr Name Programm (Die Brücke), sie vermeidet konsequent, ein Label auf ihre Verpackungen zu drucken, während die dwp (Dritte Welt Partner) wie die Gepa eigene Label verwendet ("Fair gehandelt" oder "Produkt aus fairem Handeln"). Eingeweihte wissen zwar, dass die drei Firmen ausschließlich faire Produkte handeln. Alle anderen dürfte der Auslobungswirrwarr eher verunsichern.

Während Wein oder Kaffee zumindest bei den seriösen Siegeln zu 100 Prozent aus zertifizierten Rohstoffen bestehen müssen, können verarbeitete Produkte wie Schokolade nicht faire Anteile enthalten. Das soll den Absatz fair gehandelter Rohware erhöhen. Doch im schlechtesten Fall sind nur 20 Prozent eines Produkts Fairtrade-zertifiziert. Das ist nach Ansicht von ÖKO-TEST zu wenig. Für Bio-Produkte beispielsweise gilt, dass 95 Prozent der Zutaten aus ökologischem Anbau stammen müssen. Die einzige zu 100 Prozent faire Schokolade ist die Grand Noir feinherb von Gepa. Denn sie enthält neben fairem Kakao und fairem Zucker auch noch vom Naturland-Verband zertifizierte faire Bio-Milch der Milchwerke Berchtesgadener Land.

Mit Rainforest Alliance Certified sind die Bananen von Chiquita gelabelt. ÖKO-TEST bewertet sie nur mit "überwiegend unfair", denn das Siegel schreibt weder einen Mindestpreis vor noch ist die Vorfinanzierung gesichert. Mit der gleichen Beurteilung kommen die Bio-Bananen von Tegut Fairbindet möglicherweise etwas zu schlecht weg. Aber bei der Auslobung ist die Vorfinanzierung nur "prinzipiell" möglich, und einen garantierten Mindestpreis gibt es "nicht als Prinzip", weil auch "andere Vorteile aus Sicht des Herstellers" in die Kooperationen einfließen. Zwar liegt der Preis, den Tegut nach eigenen Angaben für Bio-Bananen zahlt, über dem garantierten Mindestpreis von Fairtrade. Doch für eine bessere Note fehlt es an der Verbindlichkeit der Vorgaben. Auf den bei Netto gekauften Physalis-Früchten hat ÖKO-TEST die Auslobung First + Fair entdeckt. Um sie zu erhalten, muss nur eine der vier wichtigsten Vergabebedingungen erfüllt sein: die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns.

Das ÖKO-TEST-Fazit: Von den Beteiligten ist keine Einigung auf gemeinsame Mindestanforderungen für faire Auslobungen zu erwarten, besonders wenn die Bedeutung des fairen Handels wie erwartet schnell zunehmen sollte und somit viel Geld zu verdienen ist. Somit ist die Politik gefordert, Mindeststandards festzulegen und ein einheitliches Fair-Label zu schaffen. Wie im Bio-Bereich mit dem EU-Bio-Siegel könnten Organisationen und Unternehmen darüber hinausgehende Anforderungen durch zusätzliche, eigene Label dokumentieren.

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ÖKO-TEST rät
• Die höchsten Standards bieten die Label Fairtrade und Fair for Life sowie Produkte von Gepa, El Puente, Bananafair und DWP.
• Bei Textilien steht das Zeichen der Fair Wear Foundation für starke Bemühungen um bessere Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken. Das Label Fairtrade Certified Cotton bezieht sich sowohl auf die Baumwollernte als auch auf die Weiterverarbeitung.
• Misstrauen ist angebracht. Es mehren sich Zeichen auf den Verpackungen, die wie Label aussehen, aber nur Werbung des Herstellers sind. Denn einheitliche Regelungen, was als fair bezeichnet werden darf, gibt es nicht.
 
Eintrag vom: 20.12.2012  




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