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Insekt des Jahres: der Hirschkäfer
Begegnungen vor allem an warmen Sommerabenden
im Freiburger Mooswald in alten Eichenwäldern möglich

Jeder kennt (und bewundert) ihn, doch nur wenigen ist sein recht
exklusives Fress- und Paarungsverhalten bekannt: Der Hirschkäfer
ist Insekt des Jahres 2012. Damit wurde eine Art gewählt, die in
Deutschland sehr selten geworden ist. Sie wird bis zu neun
Zentimeter groß und stellt damit die größten Käfer in Mitteleuropa.
Nur die Männchen haben die gewaltigen „Geweihe“, die etwas
kleineren Weibchen sind aufgrund ihrer Größe (sechs Zentimeter)
aber trotzdem sofort als Hirschkäfer (Lucanus cervus) erkennen.

Mit den „Geweihen“, den rund drei Zentimetern langen Oberkiefern,
nehmen die Männchen keine Nahrung auf. Nur bei Rivalenkämpfen
und zum Festhalten der Weibchen während der Paarung werden sie
gebraucht. Die Hirschkäfer schwärmen von Mitte Juni bis Ende Juli
an lauen Abenden mit lautem Brummen in Laubwäldern herum. Im
Freiburger Mooswald sind sie dank der alten Eichenbestände noch
gut verbreitet. Die naturnahe Waldbewirtschaftung des Stadtwaldes
nach FSC-Standard erhält diesen wichtigen Lebensraum nachhaltig.

Die beeindruckenden Käfer lieben besonders alte Eichen. Männchen
und Weibchen brauchen für die Reifung ihrer Keimzellen Baumsaft,
der bestimmte Pilze enthält. Den finden sie an Wundstellen eines
Baumes, der durch Frostrisse, Windbruch oder Blitzschlag verletzt
worden ist. Der Saft aus solchen Baumwunden fließt häufig mehrere
Jahre. Das Weibchen ist auch in der Lage, Wunden mit ihren kleinen,
aber kräftigen Oberkiefern aufzubeißen. Für die Aufnahme von
Säften sind Unterkiefer und Unterlippe des Hirschkäfers besonders
ausgebildet: Sie sehen aus wie ein gefiedertes und gegabeltes
Pinselchen, das gelb ist.

Zur Paarungszeit kommt es häufig zu Kämpfen zwischen zwei
Männchen, die sehr imposant sind. Einer der Käfer wird vom Ast
gestoßen. Der Sieger sucht danach das Weibchen an der Leckstelle
auf. Er stellt sich über das Weibchen, wobei die Köpfe in die gleiche
Richtung zeigen, und verhindert mit seinem Oberkiefer, dass das
Weibchen wegläuft. Männchen und Weibchen bleiben in dieser
Stellung unter Umständen mehrere Tage über der Leckstelle stehen
und nehmen immer wieder Nahrung auf, bis es zur Paarung kommt.

Das Weibchen gräbt sich nach der Begattung 30 bis 50 Zentimeter
tief in die Erde ein, um binnen zwei Wochen 50 bis 100 weißlich
gelbe Eier außen an morsche Wurzelstöcke, vor allem von Eichen,
zu legen. Nach etwa 14 Tagen schlüpfen die Larven. Sie häuten sich
zweimal und werden schließlich zehn bis zwölf Zentimeter lang, sie
sind also größer als die fertigen Käfer. Indem sie die Mittel- und
Hinterbeine aneinander reiben, erzeugen die Larven knarrende
Geräusche – zu welchem Zweck, ist noch nicht geklärt.

Die Larven ernähren sich von morschem, feuchtem und verpilztem
Holz, das sie mit der Zeit zu Mulm abbauen. Deshalb ist es so
wichtig, dass das Forstamt darauf achtet, dass immer genügend
Totholz im Wald verbleibt: Nur so können sich die Larven entwickeln.
Daher hat das Freiburger Forstamt bereits 1996 ein Konzept
entwickelt, dass immer ausreichend Totholz garantiert.

Nach fünf, manchmal auch erst nach sechs oder acht Jahren bauen
sich die Larven in 15 bis 20 Zentimeter Tiefe eine Puppenwiege aus
Erde und Mulm. Dieser Kokon ist oval und etwa faustgroß. Seine
zwei Zentimeter dicken Wände sind innen mit Nahrungsbrei und
Sekreten geglättet, die Pilze und Bakterien abtöten können. Der
Kokon der männlichen Larven ist wesentlich größer als der des
Weibchens; für Oberkiefer und Geweih braucht das Männchen Platz.
Bei den Puppen sind die Oberkiefer noch an den Bauch angelegt.
Sechs Wochen nach der Verpuppung schlüpfen die Käfer, bleiben
aber den Winter über im Boden. Erst im Frühjahr graben sie sich
nach oben durch und leben dort nur wenige Wochen. Die meiste Zeit
seines Lebens verbringt der Hirschkäfer also unter der Erde.

Wer den Freiburger Mooswald besucht, kann den Käfern an warmen
Sommerabenden in alten Eichenbeständen begegnen. Oft liegen am
Fuß der Eichenstämme auf dem Waldboden auch noch die Geweihe
der Käfer, die Fledermäuse und Vögel übriggelassen haben.

Das „Insekt des Jahres“ wird von einem Kuratorium für Deutschland,
Österreich und die Schweiz gewählt. Der NABU ist im Kuratorium
durch seinen Bundesfachausschuss Entomologie vertreten.
 
Eintrag vom: 21.07.2012  




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