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Regionalplanung & Flächenverbrauch
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Regionalplanung & Flächenverbrauch
50 Jahre Regionalverband Südlicher Oberrhein - Kritik & Lob

Der Regionalverband Südlicher Oberrhein wurde am 8. November 1973 mit Sitz in Freiburg gegründet. Er wird am 8.11.2023 50 Jahre "alt". Die Aufgabe der Regionalplanung besteht in erster Linie in der Konkretisierung der Ziele der Landesplanung und -entwicklung sowie der überörtlichen Abstimmung raumbedeutsamer Planungen. Sie nimmt damit eine vermittelnde Stellung zwischen staatlicher und kommunaler Planung ein. Sie steht im Spannungsfeld zwischen Gewerbe, Wohnraumansprüchen und dem Bemühen, Landschaftszerstörung zu verhindern. Eine kluge, vorausschauende Regionalplanung könnte stadtnah Wohnraum (hoch, ökologisch, Straßenbahn erschlossen, sozial & für Normalverdienende bezahlbar ...) ermöglichen und gleichzeitig raumordnerische Fehlentwicklungen verhindern. Doch die Organisationsform Regionalverband hat einen "Strickfehler". Die Verbandsversammlung, das regionale "Parlament", ist bürgermeisterdominiert. Und Bürgermeister und viele Gemeinderäte wollen, dass ihre Gemeinden schnell wachsen. An einer überregional vernünftigen, nachhaltigen Raumordnung haben sie zu zumeist wenig Interesse.

1975, als Regionalplaner und Medien noch mutiger waren, stand im SPIEGEL

"Sie zählte zum Besten, was Deutschland zu bieten hatte, die Tiefebene zwischen Schwarzwald und Vogesen, Odenwald und Pfälzer Wald. Sie wurde zu einer »reinen Verbrauchslandschaft«, die, so der Nachruf von Professor Wilhelm Schäfer, Leiter des Frankfurter Senckenberg-Instituts, an »vielen Orten das Gesicht barbarischer Zerstörung trägt. Jeder, der kann, säbelt sich ein Stück heraus.
Wie eine Pestepidemie im Mittelalter«, berichtete Wolfgang Fuchs, Direktor des Regionalverbandes Südlicher Oberrhein, suchte die Nachkriegsprosperität die Oberrheinische Tiefebene heim. Von Norden nach Süden wucherten »Städtebänder, die immer stärker zu einem fantasielosen und funktionsgestörten Siedlungsbrei auseinanderlaufen gleich einer Schimmelpilzkultur auf einem Stück Käse«, beobachtete Südhessen-Planer Werner Zimmer."
Quelle:DER SPIEGEL 40/1975

Ein halbes Wachstums-Jahrhundert nach diesen frühen Warnungen und trotz Regionalplan hat sich die Situation in Südbaden verschlimmert. Verscheußlichung, Flächenverbrauch, Naturverlust, Verkehrszunahme, Verkehrslärm, Verbreiung, Verlust von Restnatur und landwirtschaftlichen Flächen, Architekturverbrechen, neonschrille Ortseinfahrten, Gewerbesteppen und Siedlungsbrei entlang der Vorbergzone und in den Schwarzwaldtälern sind Realität. Im früher einmal in Büchern beschriebenen "Paradies am Oberrhein" schwindet die Lebensqualität und die Scheußlichkeit anderer Ballungsräume holt uns ein.

50 Jahre lang wurde am Oberrhein sinnvolle Regionalplanung immer mehr aufgeweicht und ausgehebelt. Viele regionale Grünzüge und Siedlungszäsuren wurden auf Druck wachstumshungriger Gemeinderäte und Bürgermeister zurückgenommen. Zwischen Freiburg und Offenburg liegt eine Strecke von 68 km, davon sind 50 km zugebaute Siedlungsflächen und nur noch 18 km Freiraum mit massiv abnehmender Tendenz.

Die Freiflächen zwischen den Gemeinden werden immer kleiner. Ähnliche Entwicklungen von zusammenwachsenden Siedlungsbändern sind am Rand der Rheinebene und in den Tälern des Schwarzwaldes nicht zu übersehen. Liebevoll geplante Baugebiete einzelner Gemeinden wachsen zu einem gesichtslosen Siedlungsbrei zusammen. Landwirtschaftliche Flächen und die viel zu kleinen Naturflächen, die der Regionalplan zwischen den Gemeinden freizuhalten versucht, werden zu Stadtparks in einer sich entwickelnden Bandstadt. Der Oberrhein wird immer mehr zu einem gesichtslosen Fragment des zentraleuropäischen Verdichtungsraums, der Blauen Banane.

Umweltschützer aller Verbände kritisierten und kritisieren Regionalplanung, um sie zu stärken. 50 Jahre Regionalverband Südlicher Oberrhein sollten eine Chance sein, um Entwicklungen und Fehlentwicklungen am Oberrhein kritisch zu hinterfragen.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein
Der Autor beschäftigt sich seit 50 Jahren mit Umwelt- und Naturschutz und mit Regionalplanung am Oberrhein. Er war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer in Freiburg.
 
Eintrag vom: 12.11.2023  




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