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Kein neues Atomkraftwerk nach Fessenheim!
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Kein neues Atomkraftwerk nach Fessenheim!
Frankreichs Präsident Macron hat seine Pläne zur „Atomrenaissance“ konkretisiert. Das Land soll in den nächsten Jahrzehnten mindestens sechs neue Atomkraftwerke bauen – vielleicht auch noch acht mehr. Er will mit seiner „Vorwärts Strategie“ von den massiven technischen und wirtschaftlichen Problemen der französischen Atomindustrie ablenken. Er würde aus politischen Gründen "vermutlich" keine neuen AKW in Fessenheim bauen. Fessenheims Bürgermeister Claude Brender will den alten atomaren Geldsegen zurück und bewirbt sich offensiv für einen der neuen, in Frankreich geplanten Mini-Reaktoren.
Mit seiner Rentenreform und einer neoliberalen Politik treibt Herr Macron gerade die Menschen in die Fänge des rechtsradikalen Rassemblement National. Marine Le Pen wäre der provokative Neubau eines AKW an der deutschen Grenze durchaus zuzutrauen, auch wenn Ökologie und Ökonomie dagegen sprechen. "Es ist unsicher, ob neue Atomkraftwerke termingerecht und zu vernünftigen Kosten gebaut werden können", heißt es dagegen in einem Bericht des französischen Rechnungshofs.

Die beiden maroden Reaktoren des altersschwachen französischen AKW in Fessenheim wurden nach langen Kämpfen am 22. Februar 2020 und am 29. Juni 2020 endlich abgeschaltet. Mehrheitlich war die Freude in der von einem möglichen Unfall bedrohten, trinationalen Region am Oberrhein groß. Doch in dieser Freude und Erleichterung wurde eine wichtige Frage nicht gestellt: die Frage nach dem verbindlichen, dauerhaften Verzicht auf den Neubau eines zukünftigen AKW am Kraftwerksstandort am Rhein. Einen offiziellen Verzicht auf den Kraftwerksstandort Fessenheim am Rhein hat es nie gegeben.

Nicht nur eine zukünftige rechtspopulistische französische Regierung könnte den Kraftwerksstandort Fessenheim jederzeit wieder aus der Schublade holen.

Der Technokrat und wirtschaftsliberale Präsident Macron setzt auf die vermeintliche "Wunderwaffe“ Atomkraft im verloren gehenden Krieg gegen Mensch, Klima, Umwelt und Natur. Macron hat den Bau von neuen Atomreaktoren angekündigt. Von 2035 bis 2050 sollen sechs Reaktoren der «neuen» Generation ans Netz gehen, sagte Macron im Februar 2022. Er möchte auch eine Gefahrzeitverlängerung für die jetzt schon überalterten AKW, wenn möglich über 50 Jahre hinaus. Das ist eine Gefahr für Europa.

Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und der Rassemblement National stehen uneingeschränkt für die Verbindung von Macht, Atomkraftwerken und französischen Atomwaffen. Marine Le Pen hat im November 2021 sogar die Wieder-Inbetriebnahme des im Abbruch befindlichen AKW Fessenheim gefordert und rechte Parteien im Elsass unterstützen diesen Vorschlag. Allerdings ist der Abriss der beiden Reaktorblöcke weit fortgeschritten und eine Reparatur der altersschwachen Atomkraftwerke unbezahlbar. Rechtspopulisten haben allerdings ein feines Gespür, wenn es darum geht, Menschen grenzüberschreitend gegeneinander auszuspielen und sie ziehen ihre Kraft aus solchen, auch inszenierten, Konflikten.

Der (Kühl-)Standort am Rhein im Osten Frankreichs spräche aus Sicht des fast bankrotten französischen Energieversorgers durchaus für ein neues AKW in Fessenheim, wenn Klimawandel und sinkende Rheinwasserstände hier nicht einen Strich durch die Rechnung machen. Die Gefahren und Kosten neuer "kleiner" Atomreaktoren, die Erdbebengefahr im Rheingraben, der unvermeidbare Kühlturm, die enormen Kosten und der zu erwartende massive trinationale Protest an diesem Standort sprechen gegen ein neues AKW. Wer eine alte-neue Hochrisikotechnologie politisch durchsetzen will und aus den massiven Protesten in Wyhl, Fessenheim, Plogoff und Mallville gelernt hat, baut nicht in einer Protestregion.

Aktuell kämen für Fessenheim aus französischer Sicht evtl. zwei Reaktortypen infrage:

- Ein EPR. Die Kosten für den im Bau befindlichen EPR-Reaktor in Flamanville sind nach Schätzungen des französischen Rechnungshofs von 3,3 auf mehr als 19 Milliarden Euro angestiegen.
Strom aus Wind und Sonne ist schon lange kostengünstiger als Strom aus den Risiko-Reaktoren in Flamanville.

- Neue französische Thorium-Klein-Reaktoren. Dieser Reaktortyp muss erst noch entwickelt werden, was sehr lange gehen kann. ExpertInnen bezweifeln die Sicherheit dieses Reaktortyps. In jedem dieser Mini-Reaktoren entsteht die Radioaktivität vieler Hiroshima-Bomben. Ein Unfall oder ein Anschlag auf ein Kleinst-AKW könnte eine Stadt unbewohnbar machen. Durch Klein-Reaktoren erhöht sich die Gefahr, dass immer mehr Länder in den Besitz von Atomwaffen kommen. Der weltweite Export solcher Reaktoren wäre ein globales Selbstmordprogramm.

Jeder neue Tag verringert die Wahrscheinlichkeit eines AKW-Neubaus in Fessenheim. Denn mit jedem neuen Tag vergrößert sich der Kostenabstand zwischen neuen teuren, gefährlichen AKW und den umweltfreundlichen und kostengünstigen erneuerbaren Energiequellen. Und auch der nächst schwere Atomunfall kommt nicht erst in einer Million Jahre, so wie uns früher einmal versprochen worden war.

Eine rechtspopulistische französische Regierung wäre auch aus Liebe am Streit mit Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit für den Bau eines neuen AKWs in Fessenheim. Ein wirtschaftsliberaler Präsident wie Herr Macron sollte zumindest rechnen können ...

Was wir dem entgegensetzen können und sollen ist eine Fortsetzung der guten, erfolgreichen, trinationalen Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg. Ein Europa der Menschen, das wir seit bald 50 Jahren, seit den frühen Protesten in Marckolsheim, Wyhl und Kaiseraugst praktizieren.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (alt)BUND-Geschäftsführer am Oberrhein
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Eintrag vom: 20.06.2023  




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