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NABU fordert EU-weites Verbot von Neonikotinoiden
Miller: Gift für die Artenvielfalt - Agrarminister Schmidt muss sofort handeln

Berlin – Der NABU fordert die Bundesregierung auf, sich kommende Woche für ein EU-weites Verbot der insektenschädlichen Neonikotinoide einzusetzen. Vom 12. bis 13. Dezember beraten Vertreter der EU-Mitgliedstaaten über die Zukunft der ökologisch hoch bedenklichen Wirkstoffe und stimmen möglicherweise über deren Zukunft ab. Speziell geht es dabei um die Insektengifte Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam.

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben inzwischen nachgewiesen, dass Neonikotinoide Insekten und Vögel hochgradig schädigen. Honigbienen etwa verlieren unter Einwirkung des Gifts ihre Orientierung und können sich schlechter fortpflanzen. Weltweit weisen drei von vier Honigproben Rückstände von Neonikotinoiden auf. Die Wirkstoffe sind mittlerweile auch im Boden, im Wasser und in der Luft nachgewiesen. „Wie ein unsichtbarer Feind haben sich Neonikotinoide in den Ökosystemen angereichert. Sie bedrohen die biologische Vielfalt massiv“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Der NABU fordert Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt auf, sich für ein Komplettverbot aller Neonikotinoide einzusetzen. „Nach dem Glyphosat-Debakel muss Minister Schmidt jetzt unter Beweis stellen, dass er den Schutz von Insekten und Natur nicht vollends aus den Augen verloren hat. Dazu muss er keine weiteren Untersuchungen mehr abwarten, die Faktenlage ist glasklar. Er kann direkt handeln“, so Miller. Der Bundeslandwirtschaftsminister hatte allerdings am Montag in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ betont, ein letztes Prüfverfahren der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA abwarten zu wollen.

Bislang hat die EU zur Eindämmung der Neonikotinoide auf Teilverbote gesetzt. Nach Ansicht des NABU ein vollkommen ineffektives Mittel. „Die Teilverbote und Sondergenehmigungen der EU greifen ins Leere. Jahr für Jahr werden weiter große Mengen eingesetzt. Um den Tod von Insekten und Vögeln zu stoppen, ist ein Komplett-Verbot die einzige Lösung“, so Miller weiter.

2013 traten nach einer Bewertung durch die EFSA das erste Mal ernsthafte Zweifel an der Unbedenklichkeit für Honigbienen zu Tage. Daraufhin entschloss sich die EU zu einem befristeten Teilverbot für die drei Wirkstoffe, das jedoch nur für die Saatgutbehandlung von Mais und Raps greift – andere Kulturen können weiterhin mit Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam behandelt werden. Auch eine Blattbehandlung durch Spritzung ist weiter möglich.

Auch in Deutschland hat sich seit dem Verbot nur wenig geändert: Von 2013 und 2016 wurden pro Jahr rund 200 Tonnen Neonikotinoide eingesetzt – dies sind rund ein Fünftel aller Insektizide hierzulande. „In kaum einem anderen Land der EU werden so viele Pestizide eingesetzt wie in Deutschland. Die jetzige und künftige Bundesregierung müssen schnell konkrete Ziele zur Reduktion beschließen. Vor allem müssen bei der Zulassung endlich die Auswirkungen auf die Artenvielfalt berücksichtigt werden“, so Miller. Dass in der EU Neonikotinoide überhaupt zugelassen werden konnten, offenbare die eklatanten Schwachstellen in der Risikobewertung.

Der NABU fordert daher, dass Deutschland sogar über ein eventuelles EU-Verbot hinausgeht. So sei ein bundesweites Verbot sämtlicher Neonikotinoide möglich und notwendig – neben den drei genannten sind derzeit noch Acetamiprid und Thiacloprid erlaubt. Darüber hinaus sei ein Verbot auch beim Anbau unter Glas sinnvoll, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Wirkstoffe nach außen gelangen.

Um die Gefahren der Wirkstoffe künftig besser bewerten zu können, müsse zudem das von EFSA entwickelte „Bee Guidance Document“ verpflichtend zum Einsatz kommen. Dieses sieht einen stufenweisen Bewertungsprozess vor, in dem die Wirkstoffe genaueren Tests unter realen Feldbedingungen unterzogen werden.

Hintergrund:
Als Neonikotinoide Anfang 1990 auf den Markt gebracht wurden, ging man davon aus, dass sie lediglich gegen schädigende Insekten wie Blattläuse oder Kartoffelkäfer wirken. Schnell entwickelten sie sich zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Insektiziden. Von dem in Deutschland zugelassenen Thiacloprid wurde in den vergangenen Jahren durchschnittlich etwa 100 Tonnen jährlich eingesetzt – maßgeblich in Raps, Weizen und Kartoffeln. Bei Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam sind es insgesamt 75 bis 300 Tonnen pro Jahr.

Um die Gefahrenlage für Insekten besser beurteilen zu können, ist derzeit eine erneute Risiko-Bewertung durch die EFSA in Arbeit, die Anfang 2018 fertiggestellt sein soll. Ungeachtet dessen ist die Beweislage bereits jetzt erdrückend: In einer Metastudie kamen die Autoren erst vor wenigen Wochen zu dem Schluss, dass die negativen Auswirkungen weitreichend sind und nicht weiter ignoriert werden dürfen. Gemeinsam mit über 80 Verbänden setzt sich der NABU unter dem Dach der „Save the Bees Coalition“ dafür ein, dass das EU-weite Verbot im kommenden Jahr in die Tat umgesetzt wird.
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Eintrag vom: 07.12.2017  




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