Tschimpke: EU-Liste der invasiven Arten muss endlich erweitert werden, um Risiken für die Ökosysteme zu begegnen
Berlin – Anlässlich einer neuen Studie, die am 3. Oktober im Journal of Applied Ecology veröffentlicht wird, sieht der NABU den dringenden Bedarf, die sogenannte EU-Liste der invasiven Arten zu erweitern. Die EU-Liste führt invasive Tier- und Pflanzenarten auf, die in der Europäischen Union zu finden sind und für die biologische Vielfalt oder den Menschen schädlich sein können. Derzeit sind nur 49 Arten auf dieser Liste. Die Studie beschreibt dagegen 207 Tier- und Pflanzenarten, die schnellstmöglich auf die Liste und damit von den Bestimmungen der EU-Verordnung erfasst werden müssen. Bis 2030 sollen sogar 1.323 Arten aufgenommen werden. „Angesichts von rund 12.000 gebietsfremden Arten in der EU, von denen selbst die EU-Kommission rund 15 Prozent als invasiv und damit kritisch für die biologische Vielfalt, die menschliche Gesundheit und die Ökonomie ansieht, ist eine Erweiterung der EU-Liste dringend erforderlich“, so NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Der NABU fordert die EU auf, umgehend auf diese Erkenntnisse zu reagieren und dafür zu sorgen, dass weitere Arten in die EU-Liste aufgenommen werden. Europaparlament und Umweltverbände dringen bereits seit Jahren darauf. Auch die neue Bundesregierung wird sich dringend dieses Themas annehmen müssen. Der Vertreter Deutschlands im zuständigen EU-Ausschuss hatte bereits die erste Erweiterung der Liste um zwölf Arten abgelehnt mit der Begründung, dass bisher noch zu wenig Erfahrungen zum Vorgehen auf nationaler und regionaler Ebene mit den Arten der ersten Unionsliste vorlägen. Zudem enthalte auch die Ergänzungsliste viele Arten, die in Deutschland schon weit verbreitet seien.
„Diese ,Argumente‘ sind nicht stichhaltig. Zum einen ist es ausschließlich das Verschulden von Bundesregierung und Bundestag, dass zu wenig Erfahrungen vorliegen. Denn die EU-Verordnung trat bereits am 1. Januar 2015 in Kraft, wurde aber erst im Sommer 2017 vom Bundestag in nationales Recht umgesetzt“, so Tschimpke. Zum zweiten räume die Verordnung den Mitgliedstaaten weite Ermessensspielräume für den Umgang mit invasiven Arten ein. „Die Unionsliste muss außerdem auch den EU-Mitgliedstaaten Rechnung tragen, bei denen einige der gelisteten Arten noch erfolgreich eingedämmt werden können“, sagte Tschimpke weiter. „Hier wäre die gerade von Deutschland ansonsten immer gerne geforderte EU-weite Solidarität gefragt, denn invasive Arten kennen keine Grenzen.“
Auch bei den Managementmaßnahmen für bereits verbreitete Arten mahnt der NABU Eile an. Erst Mitte September begann das Anhörungsverfahren durch die Bundesländer. Der NABU kritisiert, dass nur Maßnahmen für invasive Arten der Unionsliste 2016 erarbeitete werden sollen, nicht aber für Arten der Ergänzungsliste 2017. „Da gerade die Ergänzungsliste für Deutschland besonders relevante Arten, wie Riesenbärenklau und Drüsiges Springkraut enthält, ist es nicht nachvollziehbar, dass deren Behandlung erst 2018 geregelt werden soll“, so Tschimpke.
Hintergrund
Invasive Arten, also Arten, die für die Ökosysteme problematisch werden können und einheimische Arten verdrängen, stellen eine der größten Gefahren für die biologische Vielfalt dar. Die EU-Liste („Unionsliste“) benennt jene invasiven Tier- und Pflanzenarten, für die nach EU-Verordnung (Nr. 1143/2014) Mindeststandards zur besseren Früherkennung, Monitoring und Management gelten sollen. So soll die Kontrolle verbessert und mögliche Schäden verringert werden. Die jetzt veröffentlichte Studie zeigt, welche Arten für eine Erweiterung der Liste in Frage kommen und wann sie aufgenommen werden sollten. Sie priorisiert die Risikobewertung von 207 Arten, wovon 59 im kommenden Jahr und 148 bis 2020 gelistet werden sollen. Im nächsten Schritt werden für eine Erweiterung bis 2025 weitere 336 Arten identifiziert. Bis 2030 sollen noch einmal 357 Arten beurteilt werden. |