Gebäudebereich muss klimaneutral und sozialverträglich entwickelt werden
Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl fordert die Gebäude-Allianz, ein einmaliger Zusammenschluss aus Mieterbund, Umwelt-, Industrie- und Verbraucherschutzverbänden, den Ausbau des klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 deutlich zu beschleunigen. Die von der Politik ergriffenen Maßnahmen hätten bislang nicht ausgereicht, die notwendige Verdopplung der Sanierungsrate einzuleiten und das energetische Niveau von Neubauten ausreichend zu erhöhen.
Einhellig warnten die Verbände jedoch davor, Klimaschutz und bezahlbares Wohnen gegeneinander auszuspielen. „Ein klimaneutraler Gebäudebestand zu sozialverträglichen Bedingungen ist kein Widerspruch“, erklärten die Verbände. Entscheidend sei jedoch die Antwort auf die Frage, wie beide Ziele gemeinsam erreicht werden könnten – bei Neubauten wie auch bei der Sanierung von Altbauten. Nach Ansicht des Deutschen Mieterbundes könnte hier die Einrichtung eines Drittelmodells helfen. Mit ihm könnten Eigentümer, Mieter und Staat künftig angemessen an den Kosten und Erträgen energetischer Sanierungen beteiligt werden. Bislang tragen noch zu häufig die Mieter die Hauptlast, wenn Sanierungskosten auf die Miete umgelegt werden.
Nach Ansicht der Gebäude-Allianz muss die kommende Bundesregierung auch dringend ein neues Gebäudeenergiegesetz verabschieden. Trotz Drucks aus Brüssel und einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag habe die Große Koalition das Gesetz nicht umgesetzt. „Das ist bedauerlich, weil unnötig Zeit verloren wurde. Doch gleichzeitig bietet sich für die künftige Regierung nun die Chance, den deutschen Gebäudebestand mit Weitsicht weiterzuentwickeln. Im internationalen Vergleich kann Deutschland hier eine Vorreiterrolle einnehmen“, so Danny Püschel, Koordinator der Gebäude-Allianz und Gebäudeexperte beim NABU.
Die Verbände fordern, im künftigen Gebäudeenergiegesetz die bestehenden Gesetze zusammenzuführen und einen klaren politischen Rahmen zu setzen, wie Klimaziele und Sozialverträglichkeit gemeinsam erreicht werden können. Zudem müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass alle beteilten Gewerke – vom Handwerker bis zum Energieberater – besser qualifiziert werden, um energieffiziente Sanierungen zu gewährleisten. Das bislang in der Ausbildung vermittelte Wissen sei hierzu unzureichend.
Nach wie vor ist der Gebäudebereich für rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Auch die beim Heizen und Kühlen der Gebäude entstehenden Treibhausgasemissionen schlagen in der deutschen Klimabilanz massiv zu Buche. Daher komme dem Gebäudebereich, mit Blick auf das Pariser Klimaschutzabkommen, den nationalen Klimaschutzplan und die Energieeffizienzstrategie, eine entscheidende Rolle zu, so die Verbände.
Die Forderungen der Gebäude-Allianz im Überblick:
· Pariser Klimaschutzziele ernst nehmen und danach handeln
Der gebäuderelevante Teil des Klimaschutzplans 2050 und die Energie-effizienzstrategie Gebäude (ESG) müssen möglichst bald überarbeitet werden – und zwar mit konkreten Maßnahmenpaketen. Die Ziele der ESG müssen an die Pariser Vereinbarungen angepasst und so umgesetzt werden, dass eine Sozialverträglichkeit im Gebäudesektor gewährleistet wird.
Ziel des Pariser Abkommens ist es, bis 2050 „CO2-Neutralität“ zu erreichen, also weltweit nicht mehr Kohlendioxid auszustoßen als gleichzeitig absorbiert wird. „In der Konsequenz muss bis spätestens 2050 die Wärme- und Kälteversorgung durch Energieeinsparung, Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien nahezu vollständig dekarbonisiert werden. Das kann nur durch ambitionierte nationale Maßnahmen erreicht werden. Die bestehenden Ziele für den Gebäude- und Wärmebereich wurden jedoch vor dem Pariser Abkommen zum weltweiten Klimaschutz formuliert und nach derzeitigem Stand wird Deutschland nicht einmal diese sehr schwachen Ziele erreichen. Und dies obwohl die Regierung sich mehrfach auf europäischer und internationaler Ebene für den Klimaschutz stark gemacht hat. Die nächste Regierung muss deshalb schnell handeln, um den Worten auch Taten folgen zu lassen und die internationale Glaubwürdigkeit in Sachen Klimaschutz nicht zu verlieren. Wenn Deutschland beim Klimaschutz versagt und seine Vorreiterrolle verliert, könnte dies zu einer gefährlichen Kettenreaktion in Europa führen“, sagte Barbara Metz, stellvertetende Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe.
· Gebäudeenergiegesetz (GEG) sofort angemessen ausgestalten
Die Verabschiedung eines Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zu Beginn der neuen Legislaturperiode muss Priorität haben, um der Gebäude-Energiewende einen verlässlichen und wegweisenden politischen Rahmen zu geben. Hierzu gehört auch die Festlegung der von der EU geforderten Nahenullnergie-Standards. Durch sie sollen alle Neubauten ab 2019/2021 den Anforderungen der Energie- und Klimaschutzziele 2050 gerecht werden. Dies ist bereits heute wirtschaftlich, vermeidet spätere, teure Nachrüstungen und begrenzt durch niedrige Energieverbräuche und Eigenerzeugung die Systemkosten der Energiewende. Dazu sagte Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF): „Das ständige Hin und Her bei der Diskussion um Gebäudestandards hat jeglicher Planungssicherheit den Boden entzogen. Deshalb muss die nächste Bundesregierung schnell einen klaren Zielpfad für das kommende Jahrzehnt festlegen. Das ist sie dem Klimaschutz, Mietern und Eigentümern schuldig.“ Das GEG kann zudem auch eine gewisse Wirkung für den Gebäudebestand entfalten durch die Überprüfung von Ausnahmeregelungen, die Anreizung von individuellen Sanierungsfahrplänen und einen gestärkten Vollzug.
· Sozialverträglichen Klimaschutz sichern
Klimaschutz und bezahlbares Wohnen beziehungsweise ein klimaneutraler Gebäudebestand zu sozialverträglichen Bedingungen sind keine Widersprüche. Notwendig sind im Mietwohnungsbereich Rahmenbedingungen, die Eigentümer/Vermieter, Mieter und Staat angemessen an den Kosten und Erträgen sowie Erträgen und Vorteilen energetischer Sanierungen beteiligen (Drittelmodell). Bei Modernisierungsmaßnahmen im Wohnungsbestand ist Warmmietenneutralität anzustreben. Mietsteigerungen bei Transferleistungsbeziehern müssen mit einem Klimawohngeld und Modernisierungszuschlägen ausgeglichen werden. Die notwendige Schaffung von neuem Wohnraum muss mit den Erfordernissen des Klimaschutzes einhergehen.
Ulrich Ropertz, Geschäftsführer Deutscher Mieterbund (DMB): „In der letzten Legislaturperiode sind wir hier keinen Schritt weitergekommen. Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag, das Mietrecht entsprechend zu ändern, wurden nicht umgesetzt, scheiterten an der Union. Notwendig ist jetzt eine Begrenzung der Mieterhöhungsspielräume aufgrund von energetischen Modernisierungen und eine öffentliche Förderung, die gleichzeitig Vermieterinvestitionen spürbar anreizt und Mieter von hohen Wohnkosten entlastet.“
· Attraktives Investitionsklima schaffen und zielgenau beraten
Zum Erreichen der Energieeinsparziele im Gebäudebereich und einer Erhöhung der Sanierungsquote ist ein attraktives Investitionsklima mit klaren Anreizen nötig. Die Förderung der energetischen Gebäudesanierung muss daher weiterentwickelt und verstetigt werden. Sie muss die bestehenden Hemmnisse adressieren und sich verstärkt an nachweisbaren Ergebnissen über den Gebäude-Lebenszyklus orientieren. Die bereits vorhandenen Instrumente müssen besser verzahnt und nutzerfreundlicher ausgestaltet werden. So können sie gemeinsam mit einer qualitätsgesicherten, neutralen und individuellen Beratung ihr Aktivierungspotenzial ausschöpfen. Die energetische Modernisierung des Bestandes ist zusätzlich durch die Einführung einer steuerlichen Förderung für energetische Modernisierungsmaßnahmen voranzutreiben. „Eine steuerliche Förderung macht Hauseigentümern Lust auf sinnvolle Investitionen in Energieeffizienz. Die nächste Bundesregierung kann hier den Sanierungsstau endlich auflösen“, so Christian Noll (DENEFF). Staatliche Energiepreisbestandteile sollten hinsichtlich ihrer Anreizwirkung überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt werden.
· Gewerke qualifizieren und Qualität sichern
Um bei der Steigerung der Sanierungsrate eine qualitativ hochwertige Planung und Ausführung zu sichern, braucht es eine groß angelegte Qualifizierungsoffensive für exzellent ausgebildete Fachkräfte. Eine Ausweitung der Baubegleitung sowie verstärkte Anstrengungen zur Qualitätssicherung von Beratung und Umsetzung sind ebenfalls notwendig. Niedriginvestive Maßnahmen zur Steigerung der Transparenz von Energieverbräuchen sollten zudem Standard werden, um eine solide Datenbasis für kontinuierliche Beratung und Ergebniskontrollen zu haben.
Barbara Metz (DUH): „In einem dynamischen Prozess müssen Berufsbilder für Modernisierung und gewerkeübergreifende Kooperation etabliert und bestehende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten qualitativ weiterentwickelt werden. Dies hilft auch, Bauberufe attraktiv zu halten, die Ausbildungszahlen zu steigern und so den nötigen Nachwuchs zu sichern. Ohne diesbezügliche Maßnahmen können wir den hohen Standard bei Gebäudesanierungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Sanierungsrate nicht beibehalten.“ |