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Vor 20 Jahren:
Eine ökologische Zeitenwende 1996 (nicht nur) am Oberrhein

Es ist immer schwierig und immer auch falsch, den Ort und Zeitpunkt einer „Zeitenwende“ punktgenau bestimmen zu wollen. Dennoch könnte aus regionaler Sicht ein umweltpolitischer Erfolg vor 20 Jahren am Oberrhein für eine solche Wende stehen.


Rot, blau, gelb...
in allen Regenbogenfarben färbte sich bis vor zwei Jahrzehnten der Rhein unterhalb der beiden Rohre der elsässischen Papierfabrik Kaysersberg gegenüber von Breisach. Eine erste BUND-Recherche ergab, dass hier tatsächlich die letzte Papierfabrik am Oberrhein noch ohne Kläranlage arbeitete und seit vielen Jahrzehnten mit Farben und Schwermetallen den Rhein vergiftete.

"Eine Kläranlage muss her",
unter diesem Motto kämpften der BUND mit Unterstützung von Alsace Nature gemeinsam gegen die aus heutiger Sicht unglaubliche Rheinverschmutzung an. Die klassische Umweltverschmutzung wurde mit den klassischen Methoden der Umweltverbände angegangen und im Jahr 1996 beugte sich die Usine Kaysersberg dem Druck und eine moderne Kläranlage wurde eingebaut.

Nach Ansicht von BUND-Geschäftsführer Axel Mayer
endete mit diesem Erfolg am Oberrhein die Hauptzeit der „klassischen alten, offen, sichtbaren“ Umweltverschmutzung im Bereich der Wasserverschmutzung.
Vorangegangen waren die großen ökologischen Konflikte und Kämpfe um FCKW und Ozonloch, die Debatte und vielfältige Aktionen und Demos auch in Südbaden und im Schwarzwald gegen das Waldsterben und gegen die massive Luftverschmutzung, die schon 1974 mit der erfolgreichen Bauplatzbesetzung gegen ein umweltvergiftendes Bleichemiewerk in Marckolsheim (F) begonnen hatten.

„Gut und Böse“ waren in diesen frühen Konflikten noch einfacher auseinander zu halten
und Durchsetzungsstrategien und Greenwash für Umweltzerstörung war noch nicht so perfekt wie heute.
Die Proteste und Aktionen von BUND und Umweltbewegung gegen das Waldsterben und für saubere Luft, reinere Flüsse, für alternative Energien und für eine menschengerechte Umwelt führten mittel- und langfristig zu massiven Verbesserung der Umweltsituation und zu einer Zunahme des Umweltbewusstseins. Gesetze wurden auf Druck der Umweltbewegung und gegen die Lobbyisten verschärft, der PKW-Katalysator wurde eingeführt, verbleites Benzin wurde verboten, Kraftwerke und Industrieanlagen wurden entstickt, entschwefelt und zum Teil technisch auch sicherer. Der Konflikt um die Flachglasfabrik im Elsass führte dazu, dass diese – entgegen der ursprünglichen Planung – eine Entstickungsanlage erhielt.

Eine von vielen Ursachen der Walderkrankungen
war der Ausstoß von Schwefeldioxid und der damit verbundene saure Regen. Hier brachte der Protest die größten Erfolge. "So konnten zum Beispiel alleine in Baden-Württemberg die SO2-Emissionen von 334.200 Tonnen 1973 auf 58.800 Tonnen 1995 reduziert werden, was einem Rückgang um über 80 % entspricht." schreibt die LUBW Baden-Württemberg.

Um das Jahr 1996 endete am Oberrhein und in Deutschland langsam das Zeitalter
der "alten, offenen, sichtbaren Umweltverschmutzung“ auch wenn die immer noch laufenden AKW an die damalige Zeit erinnern. Auch „Rückfälle“ sind immer möglich. Dies zeigt u.a. die Jagstkatastrophe im Jahr 2015, bei der die grob fahrlässige Lagerung großer Mengen Stickstoffdünger in unmittelbarer Gewässernähe und eine nicht vorbereitete Feuerwehr zu einem riesigen Fischsterben führte.

Und 2016? Andere, neue, weniger sichtbare Probleme
Die Situation von Mensch, Ntur und Umwelt ist trotz aller, mühsam erkämpfter Fortschritte regional und global nicht unbedingt besser geworden. Die Probleme haben sich verändert und sind weniger "sichtbar". Die aktuellen, großen Herausforderungen für den BUND und die Umweltbewegung sind die Fragen der Nachhaltigkeit, des Klimawandels und des endgültigen Atomausstiegs, die regional und global bedrohte Biodiversität und der Flächenverbrauch, die absehbare Endlichkeit der fossilen Energieressourcen und Rohstoffe, die Bekämpfung von Fluchtursachen, Innenweltverschmutzung und die Beantwortung der Frage, wie sich nach dem jetzigen Zeitalter der Habgier und des Raubbaus mit einem massiv verringerten Input an Energie, Rohstoffen und Arbeitszeit ein gutes Leben führen lässt. Dazu kommt die Bedrohung des Weltfriedens durch zunehmende soziale Ungleichheit, Ressourcenkriege und durch die Verbreitung von Bio- und Atomwaffen. Die Hintergründe vieler aktueller Probleme sind Habgier, undemokratische Banken- und Konzernmacht, Freihandel, Staatsgläubigkeit, Bürokratie, Deregulierung der Finanzmärkte, Überkonsum, Wachstumswahn, soziales Unrecht, Energie-, Rohstoff- und Arbeitszeitverschwendung... Wir leben in einem System, das nur funktioniert, wenn es wächst und sich damit zwangsläufig selbst zerstört. Am Oberrhein haben wir mit viel Mühen in Teilbereichen die globalen Zerstörungsprozesse entschleunigt. Es gibt für den BUND und die Umweltbewegung noch viel zu tun.

Eines steht 20 Jahre nach dem wichtigen Erfolg für einen sauberen Rhein fest:
„Die Umweltbewegung wird für das gelobt, was sie in der Vergangenheit getan und erreicht hat und sie wird dafür kritisiert, was sie aktuell fordert und durchsetzen will“
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Eintrag vom: 16.06.2016  




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