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Atomkraftwerk Fessenheim
Neue Analyse des Störfalls vom 9.4.2014

Anfang März 2016 wurde öffentlich bekannt, dass ein Störfall im Atomkraftwerk Fessenheim am 9.4.2014 deutlich schwerer war als zunächst vom Betreiber angegeben worden war. Eine interne Überschwemmung hatte eine Abfolge von technischem Versagen nach sich gezogen. Dabei drang Wasser auch in Schaltschränke ein, wodurch eines der beiden parallelen Sicherheitssysteme außer Gefecht gesetzt wurde. Der Reaktor ließ sich kurzfristig nicht mehr steuern und wurde schließlich per Einleitung von Bor in das Kühlsystem heruntergefahren.

Im Auftrag von Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grüne/EFA-Fraktion im Europaparlament, analysierte Prof. Manfred Mertins (Sachverständiger für Reaktorsicherheit) den Vorfall näher.

Prof. Mertins kommt zu dem Ergebnis, dass das Atomkraftwerk Fessenheim, das seit 1978 in Betrieb und damit eines der ältesten AKWs in Frankreich ist, in mehreren Punkten von heutigen Sicherheitsanforderungen abweicht. Besonders schwerwiegend ist der unzureichende Redundanzgrad der sicherheitsrelevanten Einrichtungen (n+1). Diese einfache Redundanz ist zwar einzelfehlerfest, kann aber beispielsweise während Wartungsarbeiten komplett ausfallen.
Auch sind einzelne Stränge sicherheitstechnisch wichtiger Einrichtungen nicht vollständig unabhängig voneinander. Beides erhöht die Gefahr eines Ausfalls des gesamten Sicherheitssystems durch eine gemeinsame Ursache.
Darüber hinaus sind wichtige sicherheitsrelevante Einrichtungen nicht erdbebenfest, obwohl das Rheintal als erdbebengefährdet gilt. Zudem werden Anforderungen zum Hochwasserschutz nicht erfüllt. Dabei liegen sicherheitsrelevante Teile der Anlage unter dem Niveau des Rheinseitenkanals und werden nur durch einen Deich geschützt.

Auch die für französische Anlagen vorgesehenen Upgrades ("Hardened Safety Core") werden hier keine Abhilfe schaffen. Sie werden erst bis 2020 und danach greifen und auch dann gelten sie in erster Linie dem anlageninternen Notfallschutz, was die Defizite bei Sicherheitssystemen und Störfallprozeduren nicht ausgleichen kann.

2009 untersuchte eine OSART-Mission (Operational Safety Review Team der Internationalen Atomenergiebehörde) die betriebliche Sicherheit des Atomkraftwerks in Fessenheim und deckte Mängel in der Betriebsführung auf. Diese Mängel bestanden offensichtlich mindestens teilweise 2014 fort und waren ursächlich für den Störfall. Das ist besonders bemerkenswert, da diese Mängel bei einer Folgemission der internationalen Atomenergiebehörde als behoben deklariert wurden.

Verlauf des Zwischenfalls vom 9.4.2014
Beim Befüllen eines Behälters kam es zu einer Überschwemmung im Reaktorblock 1. Da Rohrleitungen, die das überlaufende Wasser hätten abführen können durch Rost und Schmutz verstopft waren, verteilten sich etwa 3 Kubikmeter Wasser über Räume und Flure, drangen in Schaltkästen des Reaktorschutzsystems ein und lösten Fehlsignale aus. Durch den Wassereintrag wurden einzelne Signale eines Strangs des zweisträngigen Reaktorschutzsystems gestört. Daraufhin wurde die Turbine durch Zugabe von Bor in das Kühlsystem abgefahren. Dabei kam es kurzzeitig zu Abweichungen vom vorgesehenen Temperaturverlauf.
Es bestand die Gefahr eines redundanzübergreifenen Ausfalls der Sicherheitseinrichtungen durch gemeinsame Ursache (interne Überflutung).
Ursächlich für den Zwischenfall waren der mängelbehaftete Zustand im Bereich der Sicherheitseinrichtungen sowie die Zusammenwirkung von Mensch-Technik-Organisation.

Fazit:
Die im AKW Fessenheim bestehenden Defizite im Vergleich mit heute geltenden Sicherheitsanforderungen an Atomanlagen werden durch Mängel im Sicherheitsmanagement verstärkt. Dadurch besteht die Gefahr folgenschwerer Zwischenfälle oder Unfälle.

 
Eintrag vom: 21.04.2016  




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