Bundesregierung muss wichtige Impulse setzen
Fast die Hälfte aller in Deutschland brütenden Zugvögel nimmt deutlich ab. Das geht aus dem in diesem Jahr von der Bundesregierung vorgestellten Bericht zur Umsetzung der europäischen Vogelschutzrichtlinie hervor. Eine wichtige Möglichkeit, sich für den Schutz der Zugvögel einzusetzen, hat die Bundesregierung auf der vom 4. bis 9. November in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito stattfindenden Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention zum Schutz wandernder Tierarten (CMS). Seit 1979 bildet dieses Abkommen eine wichtige Grundlage für die internationale Koordination von grenzübergreifenden Schutzmaßnahmen. Da die Konvention seinerzeit in Bonn gegründet wurde und sich seitdem dort auch ihr Sekretariat befindet, ist sie auch als Bonner Konvention bekannt.
„Zugvögel gehören zu den am stärksten bedrohten Arten in Deutschland. Wie alle wandernden Tierarten sind sie doppelt gefährdet. Neben den Gefahren in ihrem Brutgebiet drohen Verfolgung und Lebensraumverlust auf der Zugstrecke und im Überwinterungsgebiet. Auch auf Betreiben des NABU hat die aktuelle Bundesregierung den verbesserten Schutz von Zugvögeln entlang ihrer Wanderrouten als Ziel in ihren Koalitionsvertrag festgeschrieben. Der NABU erwartet von der Bundesregierung, dass sie diesen Weg weitergeht und sich in Quito klar für die Verabschiedung wegweisender Beschlüsse zum Vogelschutz einsetzt sowie deren Umsetzung aktiv fördert“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Für ziehende Wasservögel gibt es bereits seit Jahren ein sehr effektives Unterabkommen (AEWA) der Bonner Konvention. In Quito soll nun ein entsprechender Aktionsplan für ziehende Landvögel verabschiedet werden. Er sieht gemeinsame Anstrengungen aller Länder entlang des gesamten Zugweges dieser Arten vor. „Für Arten, wie die in Deutschland stark abnehmende Turteltaube oder Deutschlands seltensten Brutvogel, den Seggenrohrsänger, ist die Erhaltung von Rastgebieten und Winterlebensräumen in Afrika besonders wichtig. Gerade über eine ökologisch ausgerichtete Entwicklungshilfepolitik könnte Deutschland diesem Plan zur Umsetzung verhelfen“, so NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann.
Eine gesonderte Resolution wird sich dem Kampf gegen den Abschuss und den Fang von Zugvögeln widmen. Hier hat sich die Bundesregierung bereits gemeinsam mit dem NABU engagiert und fördert unter anderem dringende Maßnahmen, um den massenhaften Vogelfang in Ägypten zu bekämpfen. „Allerdings muss Deutschland auch im eigenen Land seine Hausaufgaben machen und zum Beispiel die andauernde illegale Tötung von Greifvögeln, wie dem Habicht, vom NABU zum ‚Vogel des Jahres 2015‘ gekürt, effektiv unterbinden“, so Lachmann weiter.
Zugvögel sind nicht nur im Brutgebiet, sondern auch auf ihren Wanderungen durch manche Formen erneuerbarer Energien bedroht. Vor allem Windparks an Konzentrationspunkten des Vogelzugs können für Arten wie Weißstörche oder den in Deutschland stark bedrohten Schreiadler fatale Folgen haben. Auf der Konferenz in Quito sollen Richtlinien verabschiedet werden, wie weltweit entsprechende Gefahren vermieden bzw. reduziert werden können. Der NABU begrüßt es ausdrücklich, dass die Bundesregierung in Aussicht gestellt hat, eine internationale Arbeitsgruppe zu finanzieren, die die Umsetzung dieser Richtlinien weltweit koordinieren sollen.
Eine weitere Resolution beschäftigt sich mit der absichtlichen oder versehentlichen Vergiftung von Zugvögeln. „Wir fordern von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis gegen den Einsatz von Bleimunition sowie ein Verbot des für Geier tödlichen Wirkstoffs Diclofenac in der Tiermedizin. Bleivergiftungen sind in Deutschland die häufigste Todesursache erwachsener Seeadler. Sie vergiften sich, wenn sie angeschossene und später verendete Tiere fressen“, so Lachmann. Diclofenac hatte in der Vergangenheit beinahe zum kompletten Aussterben von Geiern in Indien geführt und ist seit kurzem auch in Italien und im Geierland Spanien, also innerhalb der EU, zur Anwendung bei Weidetieren zugelassen.
Auch die zunehmende Belastung der Weltmeere mit Plastikmüll ist Thema bei der Weltkonferenz. 95 Prozent aller an der deutschen Nordseeküste tot aufgefundenen Eissturmvögel weisen bereits Plastikteile im Magen auf. Bei den Laysan-Albatrossen auf den Midway-Inseln westlich von Hawaii sterben bereits jetzt zwei von fünf Kükenan Plastik. Eine Resolution der Vertragsstaaten soll einen Weg aufzeigen, diese Problematik besser zu verstehen und zu bekämpfen. Der NABU engagiert sich mit seinen Initiativen „Zugvogelschutz“ und „Meere ohne Plastik“ seit Jahren für die auf der Konferenz der Bonner Konvention behandelten Themen. „Wichtig ist nun, dass die Bundesregierung ihr Gewicht einbringt, um die genannten Entscheidungen durchzusetzen, und die Umsetzung der zugehörigen Maßnahmen fördert“, so Lachmann. |