Aktuelle Zustandsberichte mĂŒssen Weckruf fĂŒr die Politik sein
Der NABU hat die am heutigen Mittwoch von Bundesumweltministerin Hendricks vorgestellten Berichte zum Zustand der Natur in Deutschland als Alarmsignal gewertet. Die Lage sei noch dramatischer als erwartet. âZahlreiche Vogelarten, die hierzulande einst weit verbreitet waren, sind akut gefĂ€hrdet. Ihre LebensrĂ€ume verschwinden immer schnellerâ, sagte NABU-PrĂ€sident Olaf Tschimpke.
Die Berichte, die die Bundesregierung fĂŒr die EU-Kommission erstellt hat, beschreiben erstmals im Detail den Zustand von Tieren, Pflanzen und ihren LebensrĂ€umen, mit zum Teil gravierenden Resultaten. Beispiel Vogelwelt: Demnach schrumpft hierzulande der Bestand jeder dritten Art â und das mit zunehmendem Tempo. So verschwanden in den vergangenen zwölf Jahren ĂŒber die HĂ€lfte aller Kiebitze und ein Drittel der Feldlerchen. In der intensiv bewirtschafteten Landschaft finden sie kaum mehr Nahrung und geeignete BrutplĂ€tze.
Auch abseits der Vogelwelt zeichnet der Bericht ein dramatisches Bild. Demzufolge haben in Deutschland rund 60 Prozent aller anderen durch das EU-Recht geschĂŒtzten Tier- und Pflanzenarten groĂe Probleme. Von den LebensrĂ€umen sind sogar 70 Prozent in einem schlechten oder unzureichenden Zustand. Und der Trend ist weiter negativ: Wichtige LebensrĂ€ume wie artenreiche Wiesen werden in MaisĂ€cker umgewandelt. Alte EichenwĂ€lder werden zu Holzplantagen und die letzten SanddĂŒnen im Binnenland wuchern zu, weil ihnen die traditionelle Beweidung fehlt. âDie neuen Daten zeigen ganz klar, wie die Natur bei uns schleichend verarmt. Das muss ein Weckruf fĂŒr die Politik seinâ, so Tschimpke.
Und offenbar könnte das Ergebnis sogar noch schlechter sein. So zweifelt der NABU die in den Berichten recht positiv bewertete Situation der BuchenwĂ€lder an. âBund und LĂ€nder scheinen beim Bericht groĂzĂŒgige Bewertungskriterien angewendet zu haben. Uns ist bekannt, dass viele BundeslĂ€nder auch eintönige und viel zu junge Wirtschaftsforste hĂ€ufig als gesunde WĂ€lder bezeichnen, obwohl in ihnen kaum Artenvielfalt vorhanden ist. Wir hoffen, dass die EU-Kommission hier Nachbesserungen einfordertâ, so der NABU-PrĂ€sident.
Die HauptgrĂŒnde fĂŒr die Misere sieht der NABU in schĂ€dlichen Agrarsubventionen, unzureichenden Schutzgebietsbestimmungen und den personell und finanziell immer schlechter ausgestatteten Naturschutzverwaltungen. âObwohl wir in der EU das wahrscheinlich beste Naturschutzrecht der Welt haben, mangelt es schlicht am Willen der zustĂ€ndigen BundeslĂ€nder, es auch umzusetzenâ, kritisierte Tschimpke. Erst in der vergangenen Woche hatten NABU und BUND die Naturschutzpolitik der einzelnen BundeslĂ€nder analysiert und dabei gravierende VersĂ€umnisse offengelegt (âBiodiversitĂ€ts-Checkâ der BundeslĂ€nder - http://bit.ly/1m3S2Qe).
Der Bericht der Bundesregierung zeigt aber auch punktuelle Erfolge, nĂ€mlich genau dort wo der Naturschutz konsequent durchgesetzt und finanziert wird. NutznieĂer sind etwa der Biber, die Wildkatze und einige Fischarten wie Barbe oder SteinbeiĂer. Sie konnten sich dank der EU-Vorgaben zur Ausweisung von Schutzgebieten, zur Regulierung der Jagd und zum GewĂ€sserschutz erholen. Das gleiche gilt fĂŒr einige Vogelarten: Das deutsche Wappentier, der Seeadler, aber auch Kranich, Wanderfalke und einige andere von der EU-Vogelschutzrichtlinie besonders geschĂŒtzte Arten feiern derzeit spektakulĂ€re Comebacks.
Angesichts der insgesamt aber dramatischen Lage fordert der NABU eine Naturschutzoffensive von den zustĂ€ndigen Landesregierungen. âVor allem die Natura-2000-Schutzgebiete mĂŒssen viel besser ĂŒberwacht, betreut und finanziert werden. Andernfalls wird Deutschland sein international gegebenes Versprechen brechen, den RĂŒckgang der biologischen Vielfalt bis 2020 zu stoppen und umzukehren. Nach den heute veröffentlichten Daten hat sich die Bundesrepublik jedenfalls weiter denn je von diesem Ziel entferntâ, so Tschimpke. |